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Die Kreuzotter - Gut getarnt und giftig

Kreuzottern sind die einzigen Giftschlangen Bayerns. Angst müssen Menschen aber nicht haben: Weil ihre Lebensräume immer kleiner werden, sind die Schlangen mit dem typischen Zickzackmuster inzwischen selten. Von Claudia Steiner

Die Kreuzotter - Gut getarnt und giftig | Bild: picture alliance / imageBROKER | photoholic
21 Min. | 3.4.2025

VON: Claudia Steiner

Ausstrahlung am 3.4.2025

SHOWNOTES

Credits
Autorin dieser Folge: Claudia Steiner
Regie: Frank Halbach
Es sprach: Irina Wanka
Technik: Anton Wunder
Redaktion: Bernhard Kastner

Im Interview:
Paul Hien, Reptilienexperte und Tierfilmer
Max Prietzel vom Bayerischen Artenschutzzentrum am Bayerischen Landesamt für Umwelt
Tobias Windmaißer Bund Naturschutz in Bayern

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Linktipps:

Die Alpenkreuzotter aus der Zeitschrift für Feldherpetologie HIER

Kreuzottern - faszinierend und gefährdet - Website des Bayerischen Landesamt für Umwelt HIER

Lebensräume der Kreuzotter kennen und schützen Website NABU Baden-Württemberg HIER

Scheue Sonnenanbeterin - Die Kreuzotter im Porträt Website NABU  HIER

Kreuzotter - Vipera berus Website Herpetofauna.at HIER 

Achtung Kreuzotter - ARD Mediathek HIER


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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

ATMO Wald 

01 Zsp Kreuzotter Paul Hien 

Kreuzottern sind in mehrerlei Hinsicht Schlangen der Superlative. Also, es fängt schon mal an, dass sie die größte Verbreitung aller Landschlangen der Welt hat. Das reicht von Schottland quer durch Eurasien bis hinter fast bis nach Japan. Und in Europa geht sie zum Beispiel in Norwegen sogar über den nördlichen Polarkreis raus – als einzige Schlange der Welt. Und im Süden bis zum Balkan. Und in ihrem Riesengebiet hat man mittlerweile schon mehrere Unterarten beschrieben. 

MUSIK  „Nomad Theme“; ZEIT: 01:16

SPRECHERIN

… sagt der Reptilienexperte und Tierfilmer Paul Hien. Er berät den Nationalpark Bayerischer Wald und gibt dort Kreuzotter-Führungen. In Deutschland begegnet man Kreuzottern unter anderem in der Norddeutschen Tiefebene und in den östlichen Mittelgebirgen. In Bayern kommen die Schlangen mit dem typischen Zickzackmuster auf dem Rücken vor allem im Norden, im Voralpenland und in den Alpen vor, sogar bis auf eine Höhe von über 2.200 Metern, in der Schweiz sogar bis auf 3.000 Höhenmeter. 

MUSIK kurz hoch 

SPRECHERIN

2024 war die Kreuzotter in Deutschland „Reptil des Jahres 2024“. Doch die einzige Giftschlange Deutschlands wird immer seltener. Inzwischen wird sie bundesweit auf der Roten Liste geführt. Sie gilt als stark gefährdet. Im Freistaat ist die Schlange in Gebieten außerhalb des Alpen- und Alpenvorlandes sogar vom Aussterben bedroht. Sie zu töten, steht unter Strafe. Das war nicht immer so. Die gut getarnte Kreuzotter war lange gefürchtet, denn beim Torfstechen, bei der Heuernte oder bei Waldarbeiten kam es immer wieder zu Begegnungen zwischen Tier und Mensch und manchmal auch zu schmerzhaften Bissen. Der Amphibien- und Reptilienexperte Max Prietzel vom Bayerischen Artenschutzzentrum am Bayerischen Landesamt für Umwelt. 

MUSIK ENDE

02 Zsp Kreuzotter   Max Prietzel

Es wurden tatsächlich auch Kopfgeldprämien auf erschlagene Tiere ausgezahlt. Das lief tatsächlich auch noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts, also nach dem Zweiten Weltkrieg. 

SPRECHERIN

Im 19. Jahrhundert wurden allein um Baiersbronn im Schwarzwald pro Jahr rund 100 getötete Schlangen abgeliefert. Laut NABU Baden-Württemberg sind auf diese Weise im Nordschwarzwald die Bestände in nur 100 Jahren um etwa 90 Prozent zurückgegangen. Hinzu kommt, dass der Lebensraum der Schlangen immer kleiner wird. So wurden zum Beispiel in Bayern zahlreiche Flüsse wie der Lech und die Isar begradigt. Flussauen verschwanden. Auch viele Moore wurden trockengelegt, riesige Flächen versiegelt. Max Prietzel: 

03 Zsp Kreuzotter Max Prietzel 

Und natürlich kam dann auch noch die land- und forstwirtschaftliche Intensivierung mit dazu, also die Umwandlung gerade von diesen Standorten und Lebensräumen, die davor nicht ganz so in der Nutzung waren. 

SPRECHERIN

So sind nach und nach wichtige Strukturen für die in Bayern etwa 50 bis 70 Zentimeter lange Schlange verlorengegangen. 

MUSIK  „Natural Harmony“; ZEIT:. 00:49

SPRECHERIN

Die zur Familie der Vipern gehörenden Reptilien sind wechselwarm. Das heißt, ihre Körpertemperatur hängt von der Umgebungstemperatur ab. Besonders agil sind die Schlangen, wenn es warm ist. Morgens suchen sie gerne lichte Stellen zum Beispiel in der Nähe von Heidelbeersträuchern auf, um sich dort ungestört in die Sonne zu legen. Sie können ihre Rippen abspreizen: Dadurch wird ihre Körperoberfläche größer und sie können noch mehr wärmende Sonnenstrahlen einfangen. Sonst mögen Kreuzottern aber eher kühle und feuchte Lebensräume wie Heide, Torfmoore und Grasland mit Tümpeln. Paul Hien: 

MUSIK ENDE

04 Zsp Kreuzotter Paul Hien  

Kreuzottern haben relativ hohe Ansprüche an ihren Lebensraum. Ich nenne sie immer den Mercedes unter den Kriechtieren, also da wo es die Kreuzotter noch gibt, da gibt es eigentlich die anderen Arten auch noch alle und eine Kreuzotter braucht halt richtige Wildnis.

SPRECHERIN

Als Unterschlupf – auch im Winter - suchen sie sich frostsichere Steinhaufen, Felsspalten, Totholzhaufen, Mäusegänge oder Lücken im Wurzelwerk großer Bäume. Im Bayerischen Wald zum Beispiel wurden früher aus Äckern Steine und Felsbrocken gelesen, um Flächen für die Landwirtschaft nutzbar zu machen. Die Steine wurden entlang der Felder und Äcker aufgeschüttet – diese Haufen waren ideale Sonnenplätze und Rückzugsorte für die Ottern. Doch diese Strukturvielfalt gibt es inzwischen nur noch in wenigen Regionen.  

ATMO Wald

SPRECHERIN

Deshalb braucht die Kreuzotter inzwischen Unterstützung. Ein großes Naturschutzprojekt in Deutschland, das auch der Viper zugutekommt, ist das Grüne Band entlang der etwa 1.400 Kilometer langen, ehemaligen Grenze zwischen Ost- und Westdeutschland. Hier – entlang des Eisernen Vorhangs – wurde der Grenzstreifen 40 Jahre lang aus militärischen Gründen offengehalten und nicht landwirtschaftlich genutzt. Naturschützer versuchen, den Artenreichtum dort zu erhalten. 

MUSIK  „Roof of the world”; ZEIT: 00:52

SPRECHERIN

Und dann gibt es noch das Grüne Band Europa, das vom Eismeer im Norden bis zur Adria und dem Schwarzen Meer reicht. Im Grenzbereich zwischen Bayern und heute Tschechien gab es viele Jahre ein absolutes Sperrgebiet auf tschechischer Seite, in dem die Natur sich selbst überlassen wurde. Der Innere Bayerische Wald wiederum war lange und ist vielerorts immer noch von kleinbäuerlicher Landwirtschaft geprägt. Die Region ist bekannt für ein artenreiches Mosaik aus Kultur- und Naturlandschaften, doch auch hier verändert sich die landwirtschaftliche Nutzung. Deshalb versuchen Naturschützer, die Vielfalt zu bewahren oder wieder aufzubauen. Tobias Windmaißer ist beim Bund Naturschutz in Bayern für die Vernetzung des Grünen Bandes im Inneren Bayerischen Wald zuständig.

MUSIK ENDE

05 Zsp Kreuzotter Tobias Windmaißer

Wir konnten auf mehreren Flächen die Attraktivität für die Kreuzotter erhöhen, dadurch dass wir Totholzhaufen und Lesesteinriegel angelegt haben. Viele Flächen werden extensiv beweidet und Teilbereiche nur sporadisch gemäht. Das alles führt zu einer höheren Strukturvielfalt auf der Fläche. Und zum Beispiel brauchen junge Kreuzottern als Nahrung die Hüpferlinge, also die Larven von Amphibien wie dem Grasfrosch. Die kommen natürlich nur vor, wenn auf der Fläche auch Tümpel oder kleine Gewässer vorliegen. Und die haben wir aktiv reaktiviert oder neu angelegt. Und das in der Summe führt dann dazu, dass die Flächen für die Kreuzotter besser geeignet sind.

SPRECHERIN

Solche Maßnahmen zeigen Wirkung: Auf einigen wenigen, besonders abwechslungsreichen Flächen im Bayerischen Wald können Experten zuletzt zur Paarungszeit mehrere Tiere auf einmal beobachten. Tobias Windmaißer: 

06 Zsp Kreuzotter Tobias Windmaißer

Und mittlerweile ist dieses Gebiet in Anführungszeichen eine Paarungsarena geworden für die Kreuzotter. Und dort wurden schon einmal über zwei Dutzend Exemplare auf einmal gezählt. Sowas ist allerdings wirklich eine Seltenheit.

SPRECHERIN

In Bayern kommen die Schlangen inzwischen nur noch in abgegrenzten Gebieten vor. Ziel der Umweltschützer ist es, die Lebensräume zu erhalten und falls möglich - die Gebiete wieder zu vernetzen, so dass es zu einem genetischen Austausch kommt. Oft sind die Populationen aber so stark isoliert, dass dies schwierig ist. Max Prietzel vom Bayerischen Artenschutzzentrum: 

07 Zsp Kreuzotter Max Prietzel

Kleine, stark isolierte Populationen, denen fehlt natürlich der genetische Austausch und das kann natürlich durch genetische Prozesse zu einer Verarmung (…) und dementsprechend zu geringerer Reproduktion bis hin zum Aussterben der Population führen. (…) Es laufen tatsächlich Studien, die sich mit dieser Thematik beschäftigen, unter anderem in Schweden gibt es ein sehr ausführliches Beispiel, da wurde eine Population (…) über mehrere Jahre untersucht und die war eben stark verarmt und man hat dann aus einer nahen Population einzelne Tiere, in dem Fall männliche Tiere, in diese Population eingebracht und konnte eben relativ schnell Erfolge sehen. 

SPRECHERIN

Die Reproduktionsrate stieg, heißt: es gab wieder mehr Jungtiere. Aber auch die Zahl der Tiere insgesamt nahm zu. In Bayern greift man noch nicht zu solchen Maßnahmen, sagt Max Prietzel.  

08 Zsp Kreuzotter Max Prietzel

Da ist ein weiteres Problem natürlich, dass wir aktuell tatsächlich noch zu wenig zur Genetik der Art selber wissen, also erst vor relativ kurzer Zeit, (…) ist eine neue genetische Unterart, die Alpenkreuzotter, auch in Bayern festgestellt worden und da ist es natürlich so, dass man, wenn man da Tiere aus sehr stark unterschiedlichen Regionen miteinander verbringt, dass dann natürlich da auch Effekte auf die genetische Diversität wirken, also dass das natürlich auch zu Nachteilen führen kann. Dementsprechend brauchen wir da eigentlich erstmal noch deutlich fundiertere Daten, um in diese Richtung denken zu können.

ATMO Donner & Regen, Wind

MUSIK privat Take 009 „Dusty Rain”; Album: Mind of Tesla; Label: CD Baby; Interpret: Kim Merlino; Komponist: Kim Merlino; ZEIT: 00:29

 SPRECHERIN

Je nach Witterung suchen sich die Schlangen im Herbst oder Spätherbst ein Winterquartier – zum Beispiel frostsichere Höhlen oder Hohlräume unter Steinhaufen. Etwa von Oktober bis März verbringen die Tiere, die sonst als Einzelgänger unterwegs sind, dann oft zusammen mit Artgenossen. Sie müssen etwa ein halbes Jahr ohne Nahrung auskommen. Völlig regungslos sind sie aber auch im Winter nicht. 

MUSIK ENDE

MUSIK „Particle“; ZEIT: 01:20

SPRECHERIN

Im Frühjahr kommen dann zunächst die Männchen aus ihren Winterquartieren. Sie legen sich in der Nähe ihres Schlafplatzes zum Aufwärmen in die Sonne. In diesen Wochen reifen ihre Spermien. Ab April häuten sich die Reptilien dann. Da die Haut nicht mitwächst, muss die zu klein gewordene Haut regelmäßig abgestreift werden. Dies geschieht vier bis fünf Mal im Jahr, indem die Tiere zum Beispiel über Steine oder Baumstümpfe kriechen. Dabei wringen sie sich aus der zu eng gewordenen Haut wie Menschen aus einer zu engen Jeans. Zurück bleibt das sogenannte Natternhemd. Im neuen, silber-schwarzen Hochzeitskleid steht dann im April und Mai die Paarung an. Kreuzottern werden im Alter von drei bis vier Jahren geschlechtsreif. Die paarungsbereiten Weibchen sondern Pheromone ab. Die etwas kleineren Männchen folgen dem Duft. Sinneszellen auf ihrer gespaltenen Zunge ermöglicht es ihnen, räumlich zu riechen und die Weibchen zu finden. Wenn auch andere Männchen um das Weibchen buhlen, findet ein Ringkampf statt. Dazu richten die konkurrierenden Männchen ihre Vorderkörper auf und umschlingen sich. Jeder versucht, seinen Kopf über den des anderen zu schieben und den Gegner auf den Boden zu drücken. Das unterlegene Männchen bei den ritualisierten Kommentkämpfen ergreift die Flucht. Der Sieger kommt zum Zug. Paul Hien:   

MUSIK ENDE

09 Zsp Kreuzotter Paul Hien 

Also die setzen niemals ihre Giftzähne ein. (…) Das sind so rituelle Kämpfe. Da wird nur kurz geschaut, wer ist der Stärkere, ohne dass man jemanden wirklich verletzen will. (…) 

SPRECHERIN

((Bei der Paarung kriecht das Männchen mit zuckenden Bewegungen über das Weibchen und berührt es immer wieder mit der Zunge. Dann erfolgt die Begattung, indem die sogenannten Kloaken aneinandergepresst werden.)) Der Paarungsakt kann mehr als zwei Stunden dauern, erzählt Reptilienexperte Paul Hien. 

10 Zsp Kreuzotter Paul Hien

Und es ist so, dass sich ein Weibchen mit mehreren Männchen paaren kann. Und da kann sogar der Wurf mehrere Väter (…) haben. (…) Nach dem Paaren versucht das Männchen, sein Weibchen dann noch eine Weile zu beschützen vor anderen Männchen. Weil je mehr sich damit paaren, desto weniger Chancen hat das erste Männchen, dass seine Gene dann tatsächlich weitergegeben werden. 

MUSIK  „Natural Harmony“; ZEIT: 01:04

SPRECHERIN 

Kreuzottern gehören zu den ovoviviparen Reptilien. Ovovivipar bedeutet Ei-Lebend-Geburt. Das heißt: Die Weibchen brüten die Eier acht bis zehn Wochen im Körper aus und legen sich dazu jeden Tag in die Sonne. Zwischen August und Oktober kommen dann mehrere Jungschlangen lebend zur Welt, umhüllt von einer dünnen, durchsichtigen Eihülle. Diese müssen die neu geborenen, bis zu zwölf Zentimeter langen Schlangen zerreißen. Kurz darauf häuten sie sich zum ersten Mal. Die Jungtiere sind sofort selbstständig. Sie ernähren sich hauptsächlich von jungen Gras- oder Moorfröschen. Dafür bewegen sie ihren kleinen Schwanz hin- und her. Für die Frösche sieht der winkende Schlangenschwanz wie ein fetter Wurm aus. Wenn die Hüpferlinge in Reichweite sind, beißen die kleinen Jungvipern, die bereits Gift haben, zu. Doch es gibt immer weniger Frösche, sagt Max Prietzel. 

MUSIK ENDE

11 Zsp Kreuzotter Max Prietzel 

Wir haben jetzt in den letzten Jahren, auch klimawandelbedingt, sehr starke Rückgänge, vor allen Dingen von Grasfrosch und diese frisch metamorphierten Hüpferlinge, die spielen eben eine wichtige Rolle bei den jungen Kreuzottern und durch den Rückgang eben des Grasfrosches sind langfristig auch Auswirkungen auf die Kreuzotterbestände zu befürchten.

SPRECHERIN

Ein weiterer Grund für den Rückgang der Amphibien wie dem Grasfrosch: Sie reagieren sehr empfindlich auf Umweltgifte oder auch Pflanzenschutzmittel wie Glyphosat. ((Kreuzotter-Experte Paul Hien: 

12 Zsp Kreuzotter Paul Hien 

Amphibien geht es gerade richtig schlecht weltweit. Und wenn es den Amphibien schlecht geht, geht es leider auch den Kreuzottern schlecht. ))

SPRECHERIN

Adulte, also ausgewachsene Schlangen jagen Eidechsen, Frösche, Feld-, Wald- oder Spitzmäuse. Paul Hien: 

13 Zsp Kreuzotter Paul Hien

Und die ausgewachsenen Ottern, die sind dann auf Mäuse spezialisiert und dieser langgestreckte Körper von einer Schlange, der ist natürlich perfekt dazu geeignet, dass man in ein Mauseloch hineinschlüpft und die Maus da drin direkt fangt. Das kann natürlich ein anderer Beutegreifer in der Form nicht, wie zum Beispiel ein Fuchs oder der Bussard. Der muss eben warten, bis die Maus rauskommt oder danach graben.

SPRECHERIN

Über ihre gespaltene Zunge können die Ottern räumlich Geruchsspuren erfassen und potenzielle Beutetiere verfolgen. Max Prietzel: 

14 Zsp Kreuzotter Max Prietzel  

Und dann, wenn sie die Tiere aufgespürt haben, sind sie eigentlich ein Lauerjäger. Also sie warten eigentlich, dass das Tier in Reichweite kommt, um dann eben zum Giftbiss anzusetzen und das Tier zu beißen.

SPRECHERIN 

Dazu werden die beiden im Oberkiefer im Ruhezustand nach hinten geklappten Giftzähne nach vorne aufgestellt. Die beiden hohlen Zähne sind am Kiefer mit einer Giftdrüse verbunden. Von dort fließt das Gift in Sekundenbruchteilen durch die Zähne in die Bisswunde. Nach dem Biss lassen die Schlangen die Beute los und warten einige Sekunden oder Minuten, bis das Gift auf das Herz-Kreislaufsystem des Opfers gewirkt hat. Die Schlangen verfolgen das mit letzter Kraft flüchtende Tier und verschlingen es dann vom Kopf aus im Ganzen. ((Damit die Schlange beim Schlingen atmen kann, stülpt sie ihren Kehlkopf nach vorne.)) Pro Jahr frisst eine ausgewachsene Kreuzotter etwa 20 bis 30 Kleintiere. 

ATMO (Laubrascheln, Schritte, Menschen im Wald) 

MUSIK privat Take 003 „Children of Pizzicato”; Album: Perfect Fith Intervals; Label: 2018 Hoshow Mitani; Interpret: Hoshow Mitani; Komponist: Hoshow Mitani; ZEIT: 00:50

SPRECHERIN

Menschen werden selten gebissen. Weil die scheuen Kriechtiere Erschütterungen wahrnehmen können, sind sie in der Regel längst geflohen, wenn Menschen in ihre Nähe kommen. Nur wenn man versucht, das Reptil anzufassen, beim Beerensammeln oder bei Waldarbeiten aus Versehen auf sie tritt oder sich die Schlange bedroht fühlt, beißt sie auch bei Menschen zu. Das Gift der Kreuzotter ist zwar stark und bis zu dreimal so giftig wie das der Klapperschlange - aber sie verfügt nicht über große Giftmengen. Für einen gesunden Erwachsenen ist ein Kreuzotterbiss vor allem schmerzhaft. ((Je nach abgegebener Giftmenge und Gesundheitszustand kann es auch zu Übelkeit, Schwindel und Atemnot kommen.)) In der Regel ist ein Biss aber nicht lebensgefährlich. Paul Hien: 

MUSIK ENDE

15 Zsp Kreuzotter Paul Hien

So wie alle anderen Giftschlangenarten auch, kann die Kreuzotter ihr Gift beim Biss dosieren. Es kann sein, dass überhaupt kein Gift eingesetzt wird, das ist dann ein sogenannter Trockenbiss oder man bekommt eine volle Dosis ab oder irgendwas dazwischen. Normalerweise wird eine Kreuzotter immer versuchen, ihr Gift sparsam, so sparsam wie möglich einzusetzen und nicht an den Menschen zu verschwenden, weil den kann sie ja letztendlich nicht fressen.

SPRECHERIN

Bei den meisten Patienten kommt es nur zu einer Rötung und Schwellung an der Bissstelle. Ein Antiserum, also Gegengift, muss nach einem Kreuzotterbiss nur sehr selten eingesetzt werden, zum Beispiel wenn schwere Herz-Kreislauf-Probleme auftreten. Dennoch empfehlen Mediziner, das betroffene Körperteil nach einem Biss zu schienen und sich nicht anzustrengen. Denn je niedriger die Herzfrequenz, desto langsamer verteilt sich das Gift im Körper. Auch sollten Menschen, die gebissen wurden, zur Sicherheit zum Arzt gehen. Abbinden oder die Wunde auszusaugen wird nicht empfohlen – im Gegenteil, dies kann die Symptome eher verschlimmern. Manchmal kommt es auch zu Bissen, weil die Kreuzotter verwechselt wird, zum Beispiel mit der ungiftigen Ringelnatter. Dabei hat die Ringelnatter kein Zickzackmuster und anders als die Kreuzotter runde und nicht schlitzförmige Pupillen. Doch die sehr unterschiedlichen Färbungen von Kreuzottern führen dazu, dass sie oft nicht erkannt wird. Es gibt silbergraue, hell- und dunkelgraue, braune, blau-graue, orangene, rotbraune oder kupferrote Exemplare. Einfarbig kupferfarbene Tiere werden Kupferottern genannt. Und es gibt auch schwarze Kreuzottern – auch bekannt unter dem Namen Höllenotter oder Bergviper. Paul Hien: 

16 Zsp Kreuzotter Paul Hien

Die Kreuzotter ist eine polymorphe Art, das heißt, die sind individuell sehr unterschiedlich gefärbt und gezeichnet. Also bei Tieren ist sowas generell sehr selten, weil normalerweise sind die Tiere halt farblich perfekt an ihre Umgebung angepasst und die Kreuzotter besticht aber da durch eine Vielfalt, die ist unglaublich und es gibt kaum eine andere Schlangenart auf der Welt, die derart variabel ist. ((Also die meisten haben ja dieses namensgebende Zickzackband am Rücken, aber auch da gibt es unglaublich viele Varianten, da schauen wirklich keine zwei gleich aus.)) 

SPRECHERIN

Vor allem vor der schwarzen Kreuzotter war die Furcht groß. Lange Zeit glaubten die Menschen fälschlicherweise, dass die schwarzen Exemplare giftiger seien als heller gefärbte Tiere. 

Atmo (Schrei von Greifvogl)

SPRECHERIN

Trotz ihres potenten Gifts hat auch die Kreuzotter natürliche Fressfeinde. So werden die Schlangen von Greifvögeln wie dem Mäusebussard oder dem Schwarzmilan, aber auch von Raben erlegt. Auch Marder, Dachse, Füchse und Fischotter fressen die Schlangen. Die Liste der Prädatoren ist lang, sagt Max Pritzel vom Bayerischen Artenschutzzentrum: 

18 Zsp Kreuzotter Max Pritzel

In letzter Zeit häufen sich auch die Hinweise, dass die erhöhte Schwarzwilddichte lokal sehr stark auf die Kreuzotter-Populationen wirkt. Die Wildschweine können die Kreuzottern vor allen Dingen in den Winterquartieren aufspüren durch ihren guten Geruchssinn und dann natürlich auch ausgraben und fressen ((und dementsprechend ist es vor allen Dingen auch wichtig, dass Kirrungen in kreuzottersensiblen Gebieten natürlich entsprechend verlegt werden.

SPRECHERIN

Unter Kirrung versteht man einen Ort, an dem Futter ausgebracht wird, um Wild anzulocken und zu bejagen. Kirrungen in offenere Waldbereiche oder an Waldränder sollten deshalb vermieden werden, weil diese Bereiche Hotspots für Kreuzottern sind. Durch die erhöhte Frequenz der Wildschweine aufgrund der Kirrungen steigt die Gefahr, dass die Tiere im Umkreis aus den Winterquartieren ausgebuddelt werden.)) Unter anderem durch den Maisanbau hat sich Schwarzwild, also Wildschweine, stark vermehrt. Wie viele Wildschweine in Bayern in den Wäldern leben, ist unklar. Klar ist nur, dass ihre Zahl über die Jahrzehnte deutlich zugenommen hat und durch Jagd immer wieder reduziert werden muss. Hinzu kommen neue Feinde, sagt Paul Hien: 

19 Zsp Kreuzotter Paul Hien

Der Mensch hat Waschbär oder Marderhund eingeführt, die gab es vorher überhaupt nicht und es werden auch immer mehr Hauskatzen, Freigängerkatzen, die den Tieren draußen das Leben schwer machen.

MUSIK  „Wave“; ZEIT: 00:53

SPRECHERIN

Weniger Lebensräume, mehr Feinde, mehr Landwirtschaft, mehr Umweltgifte – für die Kreuzotter bei uns wird es eng – und das wirkt sich nicht nur auf das Überleben der Schlangen aus. Paul Hien: 

20 Zsp Kreuzotter Paul Hien

Reptilien und vor allem Amphibien sind wie eine Art Frühwarnsystem. (...) Das ist wie mit dem Kanarienvogel, den man früher in Kohleminen mit reingenommen hat. Allerdings haben viele Menschen nicht verstanden, dass es dabei eigentlich gar nicht um den Kanarienvogel geht. Also im übertragenen Sinne geht es halt bei dem Schutz von Reptilien und Amphibien eigentlich um unsere eigene Zukunft. Also ohne Tiere funktionieren halt keine Ökosysteme und ohne funktionierende Ökosysteme haben wir ein massives Problem irgendwann.


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