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Flugzeuge - Warum sie oben bleiben

Die Schwerkraft überwinden - schon fliegen wir. In der Praxis steckt genau im Überwinden der Schwerkraft aber die Kunst. Auf welche physikalischen Gesetze es ankommt, damit tonnenschwere Flieger abheben, mussten Flugpioniere mühsam herausfinden. Von Inga Pflug

Flugzeuge - Warum sie oben bleiben | Bild: picture alliance/KEYSTONE | MICHAEL BUHOLZER
24 Min. | 27.3.2025

VON: Inga Pflug

Ausstrahlung am 27.3.2025

SHOWNOTES

Credits
Autorin dieser Folge: Inga Pflug
Regie: Sabine Kienhöfer
Es sprachen: Katja Amberger, Hemma Michel
Technik: Roland Böhm
Redaktion: Iska Schreglmann

Im Interview:
Maximilian Wechner, Technische Universität München, Lehrstuhl für Flugsystemdynamik
Michael Zintl, Technische Universität München, Lehrstuhl für Flugsystemdynamik
Prof. Dr.-Ing. Florian Holzapfel, Professor für Flugsystemdynamik an der Technischen Universität München, Lehrstuhl für Flugsystemdynamik
Dr. Robert Kluge, Luftfahrt-Kurator am Deutschen Museum in München

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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

Sprecherin 1 [beschreibend]: 

Landeanflug auf München. Durch die schmalen Scheiben des Flugzeugcockpits lassen sich am Horizont einige grau-weiße Gebäude in der Landschaft erahnen. Das Wetter ist gut, keine Wolken versperren die Sicht. 

01 Wechner: 

So, also wir sind jetzt (quasi) im Anflug, auf die null acht links, also (quasi) auf die Nordbahn in München sind im Moment sechs nautische Meilen entfernt und machen jetzt (quasi) den Anflug auf München. Ich würde empfehlen, vor allem fürs erste Mal wahrscheinlich so ein bisschen je nachdem zu richten, was auf den Instrumenten ist, weil die ja schon ganz gut unterstützen.

Sprecherin 1: 

Große Monitore zeigen die aktuellen Flugparameter an, erklärt Maximilian Wechner, Wissenschaftler an der TU München, der heute für den Flug verantwortlich ist und weiß, wie all die Instrumente im Cockpit zu lesen sind. 

02 Wechner: 

Auf der linken Seite haben wir einmal des Geschwindigkeitsband, da sehen wir, dass sie gerade 140 Knoten fliegen. Auf der rechten Seite haben wir dann auch unser Höhlenband. Wir sind auf 3340 Fuß und daneben noch unsere Vertikale Geschwindigkeit in Fuß pro Minute.

Sprecherin 1: 

Und weil die heutige Test-Pilotin eigentlich Radio-Reporterin ist und zum allerersten Mal in ihrem Leben in einem Flugzeugcockpit sitzt, gibt es von Maximilian Wechner auch noch einen Crashkurs im Steuern, sprich der Bedienung der wichtigsten Schalter und Hebel. 

03 Wechner: 

Wir haben einen Joystick oder nen Sidestick auf der Seite, wenn wir den ziehen, geht die Nase nach oben vom Flugzeug. Wenn wir drücken, geht die Nase nach unten. Das heißt, damit steigen wir oder sinken wir. Wenn wir nach links drücken oder nach links ziehen, dann quasi drehe wir uns nach links mit dem Flugzeug, machen dadurch letztendlich eine Kurve und nach rechts genauso nach rechts eine Kurve.

Sprecherin 1: 

Und dann wird es auch schon ernst. Zum Glück nur virtuell, im Flugsimulator.

04 Zintl: 

Also wir müssen jetzt nach vorne und links, weil wir nach rechts jetzt wegdriften. Nach links, genau.

Sprecherin 1: 

Denn auch wenn noch zahlreiche Helferlein eingeschaltet sind und Maximilian Wechner und sein Kollege Michael Zintl den Landeanflug unterstützen: Das Flugzeug im idealen Anflugkorridor zu halten, ist gar nicht so einfach.

05 Zintl/Wechner: 

Das Gute ist, wir sind relativ weit weg von der Landebahn, also wenn wir jetzt ein bisschen schief sind, das könnte sich noch gut ausgehen. // Jetzt am besten nach rechts korrigieren. 

Sprecherin 1 [hektisch/kritisch]: 

Das Flugzeug schwankt und schaukelt – Passagiere an Bord einer echten Maschine hätten längst bemerkt, dass etwas nicht stimmt.

06 Zintl/Wechner: 

Das ist Stress. So, jetzt würd ich das Flugzeug einmal gerade ausrichten, genau und jetzt einfach geradeaus fliegen. / ((Einmal nach rechts ausrichten, weil sonst überschießen wir wieder. Also)) Joystick nach rechts. Mehr, mehr, mehr, mehr. Jetzt überschießen wir nämlich schon wieder (lacht)

Sprecherin 1 [hektisch/angespannt]: 

Mit jeder Aktion am Joystick verändert sich die Lage des Flugzeugs im Raum – alle Bewegungsachsen reagieren gleichzeitig – und dann ist da auch schon die Landebahn. 

07 Zintl/Wechner/Autorin: 

Nase nach unten nehmen, Flugzeug gerade halten, also nach rechts. / Also die Landebahn ist lang, es könnte sich schon noch ausgehen. Nase nach unten, also ein bisschen nach vorne drücken. Und das Flugzeug gerade ausrichten. / nach hinten ziehen, nach hinten ziehen. / Wir sind am Boden. (Erleichtertes Lachen) – es ist wirklich stressig.

[Ende Atmo Flugsimulator]

Musik:  Perfectly precise (red.) 0‘20

Sprecherin 2: 

"Fliegen können heißt Landen können" – dieses geflügelte Wort aus der Flugausbildung bestätigt auch Florian Holzapfel, Professor für Flugsystemdynamik an der Technischen Universität München, zu dessen Lehrstuhl der Flugsimulator gehört: 

08 Holzapfel: 

Beim Starten steh ich ja auf der Startbahn, die Nase zeigt in die Richtung. Das heißt, ich muss erst einmal einfach bloß gerade aus. Und wenn ich schnell genug bin, fliege ich. Wenn ich mal in der Luft bin, ist das Fliegen das Einfachste, was überhaupt gibt. Weil wenn ich weit genug von Hindernissen weg bin, kann ich nirgends dagegen dengeln. Beim Landen müssen Sie mit relativ großer Geschwindigkeit einen relativ kleinen Streifen treffen, die Landebahn. Und dann gibt's so böse Sachen wie Böen und Turbulenz und Winde, die Sie daran hindern. Und es wird umso anspruchsvoller, je kleiner die Landebahn wird und je größer die Geschwindigkeit, mit der sie auf die Landebahn zufliegen müssen.

Sprecherin 2: 

… beschreibt der Professor, der selbst eine Flugausbildung hat.

Wobei: So ganz trivial ist das mit dem Fliegen und Abheben dann eben doch nicht. 

09 Holzapfel: 

Also Fliegen heißt ja jetzt einfach mal, dass wir die Schwerkraft überwinden müssen, weil bei uns auf der Erde wirkt natürlich überall die Schwerkraft, die kann man nicht ab schalten. Und die Frage ist jetzt wie erzeugt meine Kraft, die der Schwerkraft entgegenwirkt und halt genau in die entgegengesetzte Richtung geht… 

Sprecherin 2: 

… und dafür gibt es zwei Grundprinzipien. Das erste ist der Archimedische Auftrieb, den etwa Ballonfahrer nutzen. 

10 Holzapfel: 

Das is quasi über Unterschiede in der Dichte. Das ist der archimedische Auftrieb, den alle kennen, wenn man sich in die Badewanne setzt oder in Swimmingpool reinen hüpft. Und auf der anderen Seite haben wir den dynamischen Auftrieb. 

Atmo Skateboard

Sprecherin 2: 

Und der nutzt das physikalische Prinzip der Impulserhaltung, veranschaulicht Florian Holzapfel mit einem Beispiel:

11 Holzapfel: 

Wenn Sie auf einem Skateboard stehen. Und sie haben einen schweren Pflasterstein in der Hand und Sie schmeißen den Pflasterstein runter. Dann wird das Skateboard ja anfangen, sich zu bewegen, weil Sie als Reaktion zu der Tatsache, dass Sie ja diesen Pflasterstein beschleunigen, eine Kraft erzeugen, die Sie dann auch vorantreibt. 

Sprecherin 2: 

Um permanent mit dem Skateboard fahren zu können, müsste der Skater in diesem Bild aber permanent Steine werfen.

12 Holzapfel: 

Mit unserem Flieger fliegen wir in der Atmosphäre, des heißt wir haben ständig Luft um uns herum. Und jetzt können wir natürlich den Trick machen, dass wir die Masse, die wir in dem Fall nach unten schmeißen, weil wir eine Kraft nach oben haben wollen, den sogenannten Auftrieb, diese Masse, die klauen wir uns einfach aus der Luft, die um den Flieger herum ist. 

Sprecherin 1 [einwerfend]: 

Dabei kommt es auf die Form der Tragflächen an, die wir uns später noch näher anschauen. 

Sprecherin 2: 

Das Profil der Flügel verursacht bestimmte Effekte, es geht um Druck und Geschwindigkeit… 

13 Holzapfel: 

Aber in letzter Konsequenz machen wir nichts anders, als dass wir Luftmasse nach unten schmeißen. Und als Reaktion zum Luftmasse-nach-unten-Schmeißen, haben wir dann eben eine Gegenkraft und diese Gegenkraft, die ist der Auftrieb.

AKUSTISCHER TRENNER [z.B. Flughafendurchsage, Aufruf zum Boarding o.ä.]

ATMO Museum

Sprecherin 1: 

Ortswechsel: Das Deutsche Museum in München, die Luftfahrthalle auf der Museumsinsel. Flug-Utensilien, wohin das Auge reicht: Hier stehen Flugzeuge und Hubschrauber, da schwebt ein Gleitflugzeug unter der hohen Decke. Dort veranschaulicht eine Tafel, wie die Luft in größeren Höhen immer dünner wird, drüben reihen sich Propeller in unterschiedlichsten Formen aneinander. Ein Doppeldecker dreht – aufgehängt an starken aber kaum sichtbaren Stahlseilen – zwischen zwei Geschossen einen Looping und abenteuerliche Geräte, die aussehen, wie geflügelte Fahrräder oder Seifenkisten mit Flügeln scheinen durch die Luft der Halle zu schweben. 

Fliegen, das wird hier klar, ist/war schon immer ein großer Menschheitstraum.

14 Kluge: 

Luft ist das letzte Element, das der Mensch sich erarbeitet, erobert hat. 

Sprecherin 1:

 … sagt Luftfahrt-Kurator Robert Kluge.

15 Kluge: 

Man geht davon aus, dass so die allerersten Versuche wohl möglicherweise von den Chinesen durchgeführt worden sind, im Rahmen von Drachen. Also chinesische Drachen sind ja was relativ bekanntes. Und die haben sich dann auch draufgelegt und dann quasi wie so einen Kastendrachen, den man heute im Herbst als Kind steigen lässt, sich da schon nach oben tragen lassen. Also das könnte durchaus sein, es ist nicht belegt, aber dass das so die ersten waren, die das wirklich gemacht haben. 

Musik: C1611230120 Mystic tendency  (a) 0‘42

Sprecherin 1: 

Auch Sagen und Mythen bezeugen – über Kulturen hinweg – eine langewährende Faszination für die Bewegung im Luftraum: Die alten Mayas und Azteken kannten die Gottheit Quetzalcoatl, die gefederte Schlange. Liebesgott Amor trägt Flügel, der griechische Götterbote Hermes Flügelschuhe. Pegasus ist ein geflügeltes Pferd, In der Wieland-Sage werden Flügel zur Flucht geschmiedet und in der wohl berühmtesten aller Fluglegenden stürzt Ikarus ins Meer, weil er mit seinen Flügeln aus Federn und Wachs im Übermut der Sonne zu nah kommt. 

16 Kluge: 

Es ist bewiesen, dass der Mensch mit seiner dürftigen Brustmuskulatur es nicht schaffen würde, selbst gefiederte Arme so stark zu schwingen, dass er nach oben kommt und sich auch oben hält. Aber Ikarus ist ein schönes Beispiel für Mythen, für Märchen, also alle möglichen Märchen. Denken Sie an Hexen auf Besen, die durch die Gegend fliegen, also all so was hat immer schon in der Menschheit eine Rolle gespielt und war eine gewisse Grenzüberschreitung, die aber vor allem in der Fantasie stattgefunden hat.

Sprecherin 1: 

… beschreibt Flugexperte Kluge. Bis die Flug-Fantasien in die Tat umgesetzt wurden, hat es wohl über Jahrtausende gedauert. Berühmte Belege für Versuche sind mehr als 500 Jahre alt: 

17 Kluge: 

Es sind so die allerersten Versuche oder Ideen, die schriftlich fixiert worden sind, bei Leonardo da Vinci zu finden, mit seiner – auch wieder Muskelkraft, weil keine anderen Alternativen da waren – also Muskelkraft angetriebenen Hubschrauber-Konstruktionen oder eben auch Schwingenflügler. Er hat also auch schon relativ intensiv, die Rotmilane oder Raubvögel beobachtet, und immer wieder der Gedanke weitergetragen: Ja, es muss doch irgendeine Möglichkeit geben. 

Sprecherin 1: 

… für die aber damals noch die technischen Möglichkeiten fehlen.

18 Kluge: 

Und Otto Lilienthal war dann tatsächlich der erste, der systematisch den Storchenflug beobachtet hat, und systematisch Apparate entwickelt hat, um Messungen durchzuführen, bis er dann eben 1891 den ersten bemannten Menschenflug durchgeführt hat.

Musik:  Stummfilm 0‘22

Sprecherin 1: 

Gerade einmal 25 Meter weit geht dieser Gleitflug von einem Hang

Musik:  Flying machines 0‘38

 – und doch wird der Lilienthal-Gleiter quasi das erste in Serie gebaute Flugzeug der Welt: 

"Normal-Segelapparat" nennt Lilienthal das Modell, das er für den "Fliegesport" als geeignet erachtet: Der Apparat besteht im Wesentlichen aus einem hölzernen Gestell und stoffbespannten Rippen aus Weidenruten als Flügeln, zwischen denen der Pilot in der Mitte eher hängt als sitzt. Zum Abheben läuft der Flieger mit angelegtem Fluggerät gegen den Wind los – und setzt bei der Landung im Idealfall mit den Füßen wieder auf.

19 Kluge: 

Ich glaube, das Wichtige war, tatsächlich das einer eben erst mal das so geschafft hat. Und daraus ging es dann relativ schnell, also, als das mit dem Erstflug von Lilienthal geschafft war und die Brüder Wright diese Informationen aufgenommen haben, weiterentwickelt haben. Dann ging das doch relativ flott. 

Sprecherin 1: 

…umreißt der Experte mit Pilotenlizenz die Entwicklung ab 1891. 

20 Kluge: 

Man sieht das ja: 1903, der erste Flug der der Brüder Wright und 1914 der ersten Kampfflugzeuge. Und wie schnell ging das, Passagierflugzeuge für bis zu 20 Personen zu bauen. Jetzt stehen wir hier vor der JU52, die ist 1932 zum ersten Mal geflogen. Bis ein paar Jahre später sind wir dann 1969/70 beim ersten Jumbojet, der schon bis zu 400, 500 Leute fassen kann. Oder A380 jetzt. Das sind 100 Jahre gut. Das ist schon eine unheimlich schnelle Zeit im Vergleich zur Menschheitsgeschichte. Aber es brauchte eben die Initialzündung, von der aus sich das dann alles entwickelt hat.

AKUST TRENNER [z.B. Flugzeug-Motor, Start/Landung]

Sprecherin 2: 

Aber nochmal einen Schritt zurück, zu den systematischen Untersuchungen von Lilienthal: Er beobachtet nicht nur, was ein Vogel macht, um durch die Luft zu gleiten, sondern nutzt auch naturwissenschaftliche Erkenntnisse, um zu verstehen, warum es funktioniert. 

21 Kluge: 

Luft ist ein Medium. Man kann darin Strömung erzeugen. Strömung wird erzeugt durch Wind, wenn man eine Fläche durch diese Luft bewegt. Man kann das mit einem ganz einfachen Experiment, was viele Kinder auch machen: Autoscheibe, runterkurbeln und Hand angestellt nach draußen halten. Hat man eine gewisse Art Windkanal und merkt die Hand wird nach oben weggetragen. Das ist im Grunde genommen nach Newton "Aktio gegengleich Reaktio", also es wird eine Kraft ausgeübt, und es ergibt sich daraus eine Kraft nach oben. 

Sprecherin 2: 

So wie beim Skateboard, das sich durch den nach hinten geworfenen Pflasterstein nach vorne bewegt. 

Lilienthal erkennt aber auch, dass Vogelflügel eine besondere Form haben, ein sogenanntes Profil, das im Luftstrom den Auftrieb erzeugt: 

22 Kluge: 

Das Profil selber ist was Gewölbtes. Und das hat eben Lilienthal erkannt, indem er die Flügel von den Störchen sich genau angeguckt hat. Die sind also gewölbt, nach innen und an manchen Stellen noch etwas dicker. Und das zu Ende gedacht, ergibt dann eben das Tragflügel-Profil, das sich dann in verschiedenen Variationen für verschiedene Geschwindigkeiten, also Strömung, Geschwindigkeit all das spielt mit rein, Luftdichte natürlich, aber vom Prinzip her erst mal brauchen Sie eine gewölbte Fläche, an der die Strömung oben schneller vorbeifließt als unten. Und diese beiden Effekte zusammen, dass eine eben die Strömungsgeschwindigkeit um den gewölbten Tragflügel herum (nach Bernoulli) und (Newton) abgelenkte Strömung nach hinten unten, das zusammen ergibt den Auftrieb.

Sprecherin 2: 

Lilienthal findet auch heraus: Damit ein Auftrieb entsteht, muss außerdem der Anströmwinkel zum Tragflügel passen – so dass die Luft der Flügelkontur einwandfrei folgen kann. 

Sprecherin 1: 

Denn, lapidar gesprochen: wenn die Luft nicht da hinkommt, wo sie gebraucht wird, dann erzeugt sie auch keinen Auftrieb. 

Atmo: Flugzeug

Sprecherin 2: 

Und weil eben Strömung, also eine Bewegung, im Spiel ist, wenn ein dynamischer Auftrieb zustande kommt, brauchen Flugzeuge Geschwindigkeit, um in der Luft zu bleiben. Würden sie in der Luft stehenbleiben, würden sie zu Boden fallen, wie ein Stein. "Strömungs-Abriss" heißt dafür das gefürchtete Schlagwort.

Atmo: Hubschrauber

Sprecherin 1 [als Einschub]: 

An Ort und Stelle in der Luft stehen oder auch senkrecht starten, das können nur Hubschrauber – bei denen sich ja die Rotorblätter drehen – und somit die Geschwindigkeit für den Auftrieb erzeugen, den sie brauchen. 

Sprecherin 2: 

Flugzeuge aber müssen eben beschleunigen, um abzuheben. So wie etwa der Lilienthal-Gleiter durchs Loslaufen seines Piloten am Hang, Segelflugzeuge durch ein Windenseil oder Motorflugzeuge eben auf der Startbahn. 

23 Holzapfel: Und natürlich bis zum Aufsetzen am Boden, muss ich auch die Geschwindigkeit haben. Und dann brauche ich auch wieder Platz, um abbremsen zu können, und es ist dann bei der Landung die Landebahn, die ich benötige.

… sagt Florian Holzapfel vom Institut für Flugsystemdynamik an der TU München.

AKUST TRENNER [z.B. Flugzeug-Motor, Start/Landung]

Sprecherin 2: 

Ab welcher Mindestgeschwindigkeit am Flugzeug genug Auftrieb entsteht, um abzuheben und in der Luft zu bleiben, hängt von mehreren Faktoren ab. Von Form und Luftwiderstand, vom Gewicht des Fliegers und von der Spannweite – oder genauer gesagt: der Flügelstreckung: 

Musik:  Flying machines 0‘40

24 Holzapfel: 

Zum Beispiel ein Albatros, ein sehr großer Vogel mit einer sehr großen Flügelstreckung, der hat eine Gleitzahl von ungefähr 20, das heißt mit einem Meter Höhe kann ich ungefähr 20 Meter fliegen. 

Sprecherin 2: 

Die Gleitzahl, die Florian Holzapfel hier ins Spiel bringt, beschreibt das Verhältnis von Auftrieb und Luftwiderstand und leitet sich vom Gleitflug ab.

25 Holzapfel: 

Das heißt die aerodynamische Effizienz von einem Albatros ist genau gleich groß wie die aerodynamische Effizienz von einer modernen Verkehrsmaschine. Während irgend so ein kleiner Spatz, der kann mit einem Meter Höhe halt nur acht Meter weit fliegen, weil seine Gleitzahl eben nur eins zu acht oder seine aerodynamische Effizienz nur in der Größenordnung irgendwo zwischen vier und acht liegt. Und das heißt, der muss mehr Energie reinbringen. Deshalb muss er viel wilder mit den Flügeln schlagen und übertragen (mehr oder weniger) auf ein Flugzeug würde das heißen, ich brauche mehr Schub. Drum braucht zum Beispiel verglichen zum Gewicht so ein Kampfflugzeug oder ein kleines Sportflugzeug relativ mehr Schub, weil es eben eine schlechtere Gleitzahl hat als eben so ein Flieger mit großer Streckung, wie eben ein schöner Segelflieger oder Motorsegler oder wie eine Verkehrsmaschine.

Sprecherin 2: 

Ausgebildete Piloten freilich kennen all diese Parameter ihrer Maschinen – und das Zusammenspiel der unterschiedlichen Faktoren.  Auch die sogenannte Flächenbelastung lässt sich schon bei der Konstruktion eines Flugzeugs berechnen – je nach Flugzeugtyp und Anforderung:

26 Holzapfel: 

Wenn ich ein kleines Segelflugzeug nehme, dann habe ich eben eine Flächenbelastung von 25 bis 50 Kilogramm pro Quadratmeter. Das heißt, ein Quadratmeter Flügelfläche muss 25 bis 50 Kilo eben heben können. Wenn ich so ein Sportflugzeug nehme, da sind wir schon in der Kategorie 50 bis ein bisschen über hundert Kilogramm. Und wenn wir jetzt so eine Verkehrsmaschine nehmen, da ist man so in Größenordnungen von 400 bis 600 Kilogramm pro Quadratmeter Flügelfläche. Was natürlich sofort bedeutet, damit ich mit einem Quadratmeter so viele Auftrieb erzeugen kann, muss ich mich natürlich wesentlich schneller bewegen, weit über 200 km/h (f)liegen, während zum Beispiel bei so einem kleinen Sportflugzeug, wenn ich so ein Ultraleichtflugzeug eben nehme, ich nur Größenordnung 65 km/h brauche, um abheben zu können.  

Atmo: Airbus

Sprecherin 2: 

Je mehr Tempo und je mehr Flügelfläche zusammenkommen, desto größer die Kraft, die das Flugzeug nach oben bringt. Und das Zusammenspiel der physikalischen Kräfte lässt auch Massen fliegen, die schier unvorstellbar sind.

27 Holzapfel: 

Wenn man sich so ein Airbus 380 anschaut, der hat ein maximales Abfluggewicht von 560 Tonnen. Immer dran denken: wenn man beim LKW sagt "40-Tonner", dann hat der maximal 40 Tonnen. Dann sieht man, dass man an der Stelle im Endeffekt 14 solche LKWs vom Gesamtgewicht hat. Und da brauche ich natürlich dann auch eine große Flügelfläche... 

Sprecherin 2: 

… und eine Flügel-Konstruktion, die den enormen Belastungen standhält. Und die – trotz der enormen Massen, die durch die Luft bewegt werden – selbst auf Leichtbau setzt. 

ATMO Museum

Sprecherin 1: 

Zurück im Deutschen Museum in München. Nicht nur komplette Flugzeuge zeigen in der großen Luftfahrthalle die Entwicklung des Fliegens auf, sondern auch einzelne Bauteile. In einer großen Glasvitrine sind aufgeschnittene Flügelprofile im Original zu sehen und offenbaren den Blick ins Innere eines Flugzeugflügels.

28 Kluge: 

Hier ist ein Segelflug-Profil mit Streben, Fachwerk drin, die quasi wie Fachwerkbau entsprechend die Struktur verstärken und dann mit Sperrholz beplankt und im hinteren Teil dann mit Stoff, einfach um es leichter zu machen.

Sprecherin 1: 

… beschreibt Luftfahrt-Kurator und Segelflieger Robert Kluge den tropfenförmigen Querschnitt, der vor allem eines ist: umbaute Luft, ein großer Hohlraum mit einer möglichst dünnen Hülle. Die textile Flügelhaut ist hier kein Notbehelf. Je leichter ein Flugzeug ist, desto weniger Energie ist schließlich notwendig, um es in die Luft zu bringen und dort zu halten.

Teilweise wirkt das extrem – wie etwa beim nächsten Ausstellungsobjekt. 

29 Kluge: 

Wir stehen hier vor einem Flügel der Cessna 172, des bis heute meistgebauten Flugzeugs der Welt. Man sieht hier, es ist im Grunde genommen eine bessere Cola-Dose mit ein bisschen Versteifung drin. 

Sprecherin 1: 

Ist aber natürlich ausgeklügelte Ingenieurskunst:

30 Kluge: 

Also ich war selber fasziniert, als ich das zum ersten Mal gesehen habe, es gibt keinen richtigen Hauptholm, sondern es gibt zwei Holme, einen vorne einen hinten, aber auch nur gebogenes Blech. Also gleiche Dicke wie die Beplankung selber. Und dann so ein paar Stege, die das ganze längs stabilisieren und die Rippen selber mit großen Löchern drinnen, um es wieder leichter zu machen. Und die Steifigkeit ergibt sich dann durch den Rippenabstand. Das ist Metallbauweise, wie sie bis heute stattfindet und ähnlich eben auch im Großflugzeugbau. Das ist nicht viel anders.

Musik: Drift into white 0‘55

Sprecherin 1: 

Inzwischen werden freilich moderne Materialien eingesetzt: Glas- und Kohlefaser können ausgeklügelte Profile formen und werden für die jeweiligen Anforderungen maßgeschneidert – ob nun Transport- oder Passagierflugzeug, Lang- oder Kurzstrecke, Sport- oder Linienflieger. Besondere Beschichtungen und Folien sollen heutzutage den Luftwiderstand reduzieren – und auch das Fahrwerk moderner Verkehrsmaschinen wird nach dem Start längst eingezogen und ist nicht mehr wie bei der berühmten "Tante Ju", der Junkers 52 aus Wellblech, im Flug noch zu sehen. 

Sprecherin 2: 

Messeinrichtungen für Luftdruck, Seitenwinde und vieles mehr unterstützen außerdem die Piloten, um jeden Flug so sicher wie möglich zu machen – und Sicherheitssysteme schlagen Alarm und greifen ein, sollte doch einmal das passieren, was beim Fliegen nie passieren darf: 

31 Holzapfel: 

Also das Schlimmste, was natürlich passieren kann, ist, dass man eben zu langsam wird. 

Sprecherin 2: 

… sagt Luftfahrttechniker Florian Holzapfel:

32 Holzapfel: 

Weil dann bricht eben der Auftrieb zusammen. Und es ist eben gerade auch in der Sportfliegerei ein Unfallszenario, des leider nach wie vor auftritt. Die zivile Verkehrsfliegerei mit den großen Flugzeugen ist extrem sicher, und es sind ganz, ganz viele Mechanismen in so einem Flugzeug, damit es eben nicht passieren kann. Und das heißt, dass man natürlich dann lieber schaut, dass es Energieniveau lieber ein bisschen zu hoch ist. Und das kann natürlich dann zum umgekehrten führen, dass man mit zu viel Geschwindigkeit an der Landebahn ankommt. Und da ist es sicherste, durchzustarten und einfach noch ne Runde zu fliegen. Und sich darauf konzentrieren, dass es beim nächsten Versuch besser wird.

Sprecherin 1: 

Luftraumüberwachung, Flugrouten und Fluglotsen tun ihr übriges – und nicht zuletzt die lange und gründliche Ausbildung der Piloten, auch in der Trockenübung, dem Flugsimulator.

Musik:  Serious preperations 0‘48

ATMO Flugsimulator

33 Zintl/Wechner/Autorin: 

Bisschen mehr Nase nach unten nehmen, dass wir wieder Richtung Landebahn kommen, nicht zu viel, reicht schon, bisschen nach links. Sooo, bisschen nach hinten ziehen, am Joystick ziehen. // wir haben die Landebahn getroffen. // Normalerweise setzt man mit dem hinteren Teil vom Fahrwerk zuerst auf und nicht mit der Nase. // Ich glaube, uns wäre das Fahrwerk abgebrochen. Ich halt uns mal an.


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