Vom Comic ins Kino - Konjunktur der Superhelden
DC und Marvel - das sind die US-Comic-Verlage, die seit 1939 die Bild-Geschichten von Superhelden wie Superman und Batman, Die Fantastischen Vier oder Spiderman veröffentlichen. Ob als Comic oder Film - die Abenteuer der "Über-Menschen" faszinieren bis heute ein junges Publikum. Von Markus Mayer
VON: Markus Mayer
Ausstrahlung am 30.1.2025
SHOWNOTES
Credits
Autor dieser Folge: Markus Mayer
Regie: Christiane Klenz
Es sprachen: Robert Dölle, Ditte Ferrigan, Christiane Klenz, Jay Rutledge
Technik: Andreas Lucke
Redaktion: Karin Becker, Katharina Hübel-Gohr
Im Interview:
Andreas Platthaus, Comic-Experte & Feuilletonchef der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Und noch eine besondere Empfehlung der Redaktion:
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Nach einer literarischen Vorspeise servieren Katharina Mahrenholtz, Daniel Kaiser und Jan Ehlert aktuelle Neuerscheinungen und Lieblingsbücher. Für die Bestseller-Challenge lesen sie sich durch die Titel der aktuellen Top Ten - kneifen gilt nicht, deutliche Meinung ist erwünscht! Beim Quiz können alle ihr Literatur-Wissen testen und Fun Facts für die nächste Party sammeln. Dazu gibt es Interviews mit Büchermenschen und Insights aus der Buchbranche.
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Linktipps:
Marvels Superhelden. Götter unserer Zeit. April/Mai-Ausgabe der Schweizer Kulturzeitschrift Du. Nr. 927. Hg. V. Du Kulturmedien KAG, Bätzibuck 5, CH-8307. Anlässlich der Marvel-Ausstellung in Basel versammelt der Band aufschlussreiche Interviews, Analysen und Hintergrundberichte zum Thema Marvel und den Marvel-Superhelden. Mit zahlreichen, farbigen Abbildungen.
Comics richtig lesen. Von Scott McCloud, illustriert von Scott McCloud. Carlsen-Verlag 2001. Der Comicautor und Comictheoretiker klärt in einem Comicstrip, also mit Comic-Bildern auf, wie die Kunstform Bildgeschichte funktioniert, was Seitenaufteilung und Panelgestaltung möglich machen und zur Erzählung beitragen. Standardwerk zum Medium Comic & Graphic Novel.
Comic Welten. Geschichte und Struktur der neunten Kunst. Hg. V. Harald A. Havas & Gerhard Habarta. Edition Comic Forum Wien. Ausstellungskatalog 1993. Darin Kapitel 6, 7, & 8: Grossstadthelden: Superman, Grossstadthelden: Batman & Superwelten – Superhelden. S. 52 - 87. Launige, aufschlussreiche Abhandlung der Superhelden-Comics von DC und Marvel, leicht überholt, da die bahnbrechenden Verfilmungen von Marvel nach der Jahrtausendwende noch nicht berücksichtigt werden konnten.
Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.Radiowissen finden Sie auch in der ARD Audiothek:
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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
Zitator: It‘s A Bird?
Zitatorin: It’s a Plane?
Zitator & Zitatorin: It’s Superman!
Sprecherin
Im Juni 1938 erscheint das erste bunte Heftchen mit Superman auf dem Umschlag. 64 Seiten umfasst der Comicstrip, also die gezeichnete Bildfolge,
mit Abenteuern des Superhelden. Superman heißt mit bürgerlichem Namen Clark Kent, aber eigentlich ist er ein Außerirdischer vom Planeten Krypton.
Sprecher
Nur 10 Cent kostet das Heft. Niemand ahnt, dass mit diesem ersten Heft der Reihe Action Comic, einem nicht besonders hochwertigen Druckerzeugnis, die Weltkarriere des ersten aller Superhelden beginnt.
Sprecherin
Endlich ist es Jerry Siegel und Joe Shuster, den Erfindern der Figur, gelungen, Superman, der im Alter von drei Jahren von seinem Heimatplaneten in einem Raumschiff auf die Erde geschickt wird, als Protagonisten einer Heftchenreihe unterzubringen. Jahrelang wird die Idee des menschengleichen Helden mit Superkräften von Zeitungen und Verlagen als pubertär und kindisch verworfen.
MUSIK 2 ( Laurie Anderson: O Superman 0’57)
SPRECHERIN
Als am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg beginnt, erhält die Geschichte dieses Übermenschen, den sich die beiden Science-Fiction- Fans ausgedacht haben, eine weitere Bedeutung. Ein unbesiegbarer, unverwundbarer Superheld auf Seite der Vereinigten Staaten? Irgendwie beruhigend... Superman kann fliegen, er hat Superkräfte und Superpuste, außerdem kann er, wenn es sein muss, mit Röntgenblick Dinge sehen, die normalerweise verborgen sind.
SPRECHER
Während der Kriegsjahre werden Superman-Hefte zum beliebtesten Lesestoff der GI’s, der jungen amerikanischen Soldaten. 800 tausend Exemplare macht damals die Auflage der Action Comics aus - eine Heftchenreihe, in der neben anderen auch Superman-Abenteuer zu sehen sind. Hefte ausschließlich mit Geschichten des „Stählernen“, wie ihn Fans nennen, setzen mehr als eineinviertel Millionen ab. Hinzu kommen Superman-Comicstrips, die in über 250 Sonntagszeitungen abgedruckt werden. Während der Kriegsjahre gibt es zudem Superman-Radiosendungen und ab 1941 Zeichentrickfilme.
MUSIK 3 (Alan Silvestri: Captain America Main Titles 0’56)
SPRECHERIN
1941 erscheint im New Yorker Verlag Timely Publications, einem Vorläufer des Marvel-Verlags, eine weitere Heftchenreihe mit einem patriotischen Superhelden: Captain America. So nennt sich Steve Grant Rogers, ein fiktiver US-Amerikaner, der seinem Land als Soldat dienen will. Er wird ausgemustert, erhält aber in einem geheimen Experiment ein Serum, das zu physischen Höchstleistungen verhilft. Weil der Wissenschaftler, der das Serum entwickelt hat, von einem Nazi-Agenten ermordet wird, bleibt Rogers der einzige Superkämpfer. Fortan nennt er sich Captain America, erkennbar an seinem Kostüm und seinem Schild, das Teile der National-Flagge enthält. Captain America bekämpft Nazis, Saboteure und Spione.
SPRECHER
Der Journalist Andreas Platthaus von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, ein ausgewiesener Comic-Experte, erklärt, wer die Macher dieser ersten Superhelden-Comics sind.
ZSP Andreas Platthaus – Umfeld
Das Umfeld der mittleren bis späten 30er Jahre, als die Superhelden entstanden sind, muss man sich vor allem sehr städtisch vorstellen und aus einer sehr, sehr armen Gegend stammend die meisten Leute, die damals tätig wurden, als Zeichner, als Szenaristen. Und es gab dabei durchaus einige Frauen, die in Hilfsjobs da tätig waren. Die kamen von ganz unten. Die kamen aus den relativen Elendsvierteln von europäischen Einwanderern, und dementsprechend fanden die in den Superhelden eine Art Kompensation für ihr eigenes Schicksal.
MUSIK 4 (Sammy Timberg: Superman March 0’50)
SPRECHER
Wie viele Comickünstler der damaligen Zeit ist auch Superman Migrant. Schließlich kommt er ja vom Planeten Krypton, was es aber zu verbergen gilt, denn er will gleichberechtigt und integriert leben. Die Erfinder und Gestalter dieser Figur, häufig jüdische Migranten oder Kinder jüdischer Einwanderer, beschreiben hier in gewisser Weise ihr eigenes Schicksal anhand einer allmächtigen Heldenfigur, die ein Doppelleben führt. Sie scheinen mit der Figur des unverwundbaren Übermenschen den USA auch gleichsam den Rücken stärken zu wollen, schließlich befinden sich die Vereinigten Staaten im Krieg gegen demokratieverachtende Nazis und die Achsenmächte.
ZSP Andreas Platthaus – Jüd. Künstler dominieren I.
Dass etliche der Zeichner damals jüdisch waren, hat damit zu tun, dass sehr, sehr viele Juden seit dem Ende des 19. Jahrhunderts aus Europa gekommen waren. Die osteuropäischen Pogrome hatten zu einer Auswanderungswelle geführt und dabei waren sehr viele Leute vor allem aus ländlichen Regionen, aus Handwerkerberufen und so etwas nach Amerika gekommen, die aber dort nicht unbedingt sofort Anstellungen wieder fanden in den Bereichen, die sie kannten, weil sie in den Städten blieben. Und da gab es dann vor allem Industriejobs und ähnliches, damit ließ sich nicht viel Geld verdienen, und dementsprechend war das Comic-Geschäft eine Art Ausstiegsoption. Da konnte man mit künstlerischer Begabung, die natürlich etliche Leute davon besaßen, tatsächlich etwas machen.
MUSIK 5 (The Chamber Orchestra Of London: First Mission 0’31)
SPRECHERIN
Ein Comic-Held wie der patriotische Captain America ist pure Propaganda. Erwartungsgemäß flaut nach dem Ende des Zweiten Weltkrieg das Interesse an solchen, eindimensionalen Superhelden ab. Comichefte von Superman und Batman, die im New Yorker DC-Verlag erscheinen, bleiben aber weiterhin attraktiv, auch weil die Protagonisten höchst plausibel gestaltet sind.
MUSIK 6 ( Prince: Batdance – Prince 0’36)
SPRECHER
1939 veröffentlicht DC, die Abkürzung von Detective Comics, erstmals einen Band, in dem die Batman-Figur auftaucht. 1940 erhält der Fledermausmann eine eigene Heftchenreihe.
SPRECHERIN
Ausgedacht haben sich Batman der Autor Bill Finger und der Zeichner Bob Kane. Finger liebt sogenannte Pulp Fiction, Heftchenromane, die auf billigem, stark holzhaltigem Papier, im Amerikanischen Pulp genannt, gedruckt werden. In diesen Spannungsgeschichten ist der Held ähnlich wie Batman aus wohlhabendem Milieu - eine Figur, die es sich leisten kann, Detektiv zu spielen. Weil Szenarist Bill Finger zudem Expressionismus-Fan ist, spielen Batmans Abenteuer immer bei Nacht in einer dystopischen, düsteren Großstadt, einem anonymen Häusermeer, von Straßenschluchten durchzogen.
SPRECHER
Gotham City nennt Bill Finger diesen Ort, ein Synonym für Manhattan in New York. Finger erfindet auch Nebenfiguren wie den Commissioner James Gordon und Butler Alfred. Sie rufen oder unterstützen Batman alias Bruce Wayne, einen milliardenschweren Erben, der nach außen als Playboy auftritt.
SPRECHERIN
Bruce Wayne muss als Kind erleben, wie ein Gangster seine Eltern bei einem Raubüberfall erschießt, nachdem sie mit ihrem Sohn ein Kino besucht haben. Der verwaiste Junge schwört daraufhin Rache und wird zum Kämpfer für Gerechtigkeit. Bruce Wayne hat zwar keine Superkräfte, studiert aber Chemie, Kriminalistik, Mathematik und Physik und trainiert sich Kampfkünste an. Unter seiner Villa richtet er eine geräumige Höhle ein, die ein Labor und eine Garage für die Batmobile umfasst.
SPRECHER
Bruce Wayne, der die Stadt vom Verbrechen befreien will, inszeniert sich mit Kostüm und Maske als Fledermaus - ein Wesen, das lautlos durch die Nacht gleitet, - ein Regulator der Natur, der hilft, Schädlinge und Insekten zu reduzieren.
MUSIK 7 ( Neal Paul Hefti: Batman 0’24)
SPRECHERIN
Comic Strips, gezeichnete Bildfolgen, sind in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts das perfekte Medium, um die imaginären Abenteuer von Superman und Batman in Szene zu setzen. Denn: Filme, die bis dato hauptsächlich im Studio gedreht werden, können Handlungen, die im Weltraum oder in der Stratosphäre spielen, nicht überzeugend abbilden. Im gezeichneten Bild hingegen bereitet das keinerlei Probleme.
Trotzdem verliert das Comic-Genre in den 50er Jahren an Popularität. Das hat zum Einen mit dem Fernsehen zu tun, das jetzt Einzug hält in die Haushalte und Aufmerksamkeit auf sich zieht. Es hat zum Anderen damit zu tun, dass Comics während der McCarthy-Ära als minderwertig eingestuft werden – sie seien, heißt es, gefährlicher Schund, der die Jugend verderbe.
SPRECHER
Die Comic-Produzenten formulieren jedenfalls, um das Geschäftsmodell aufrecht zu erhalten, den sogenannten Comics-Code, ein selbstauferlegtes Regelwerk, dem sich die Branche unterwirft, eine Form der Selbstzensur. Nacktheit ist ab jetzt im Comic ebenso Tabu wie Drogenkonsum, Homosexualität, Scheidungen oder Flüche. Comic-Kenner Andreas Platthaus:
ZSP Andreas Platthaus – Folgen der Krise der 50er I. gadgets
Die Krise der 50er-Jahre (über den Comic Code) hat dazu geführt, dass bestimmte Geschichten nicht mehr so erzählt werden konnten, wie es vorher der Fall war. Es konnte nicht mehr so gewalttätig sein, es konnten auch beispielsweise keine Schurken mehr sterben, was vorher noch durchaus üblich gewesen ist. Und dementsprechend musste man andere interessante Dinge für eine jugendliche Leserschaft finden. Und da waren technische Gadgets natürlich sehr, sehr interessant. Plötzlich wurden die Superhelden viel aufwendiger ausgerüstet, als das vorher der Fall war, weil man mit solchen Sachen begeistern konnte.
MUSIK 8 ( Anne Clark - Sleeper in Metropolis 0’24)
SPRECHERIN
Batman hat beispielsweise von Anfang an einen Gürtel mit diversen, nützlichen Utensilien, mit Robin, seinem jungen Helfer, begibt er sich im Batmobil, einem phantastischen Vehikel auf Verbrecherjagd. Technische Elemente wie Gürtel und Fahrzeuge werden in den 50er Jahren ausführlich dargestellt.
SPRECHER
Zu Beginn der 60er Jahre geht in New York ein neuer Verlag an den Start, der wegweisend wird für das Comic-Geschäft. Marvel Comics mischt mit Reihen wie den Fantastischen Vier, Spiderman, Hulk und Thor, um nur einige zu nennen auf, die Comic-Branche auf.
ZSP Andreas Platthaus - Krise der 50er & Leserbindung
Man brachte ein neues Identifikationsmoment hinein, indem man die ganzen Helden mehr an den Alltag ihrer Leserschaft heranführte, dass es vor allem um die große Errungenschaft des Marvel-Verlags gewesen. Wenn man da plötzlich sieht, dass jemand wie Peter Parker aus einer Schule kommt und durch einen Biss einer radioaktiven Spinne zum Superhelden wird, dann ist das zwar vielleicht nicht das, was man sich selbst erträumt. Aber zumindest bringt einem das diese Figur wieder sehr, sehr nah und so abstrus das Ganze auch ist, war das dann etwas, womit man sich tatsächlich als jugendliche Leserinnen oder Leser, da waren es dann vor allem doch nur Männer, identifizieren konnte.
MUSIK 9 ( Metroboomin & Future - Superhero (Heroes & Villains) 0’27)
SPRECHERIN
Die Superhelden von Marvel sind nicht per se besonders, sondern Repräsentanten der weißen Mittelklasse, aus der sich auch die Leserschaft rekrutiert. Ihre Superkräfte erlangen sie meist durch einen Unfall mit radioaktivem Material. Die Entscheidung, ein Superhelden-Dasein zu führen, fällt ihnen nicht leicht.
SPRECHER
Die Fantastischen Vier sind vier gleichaltrige Wissenschaftler, im Grunde eine Familie. Mister Fantastic, der sich in jegliche Form dehnen kann, ist der Moderator der Gruppe. Susan, die Unsichtbare, ist seine Frau, Johnny, The Storm, ist ihr Bruder und Ben Grimm, das Ding, verfügt über einen versteinerten Körper, was dazu führt, dass er aushält, woran normal sterbliche zu Grunde gehen.
SPRECHERIN
Der Hulk heißt eigentlich Bruce Banner und ist promovierter Nuklearmediziner. Als er bei einem Unfall einer erhöhten Dosis von Gammastrahlen ausgesetzt ist, verwandelt er sich in ein wutschnaubendes, grünes Monster namens Hulk. Immer wenn sich Dr. Banner nach diesem Unfall aufregt, wiederholen sich die Anfälle und er wird zum Ungeheuer.
SPRECHER
Die Marvelhelden sind lebensnäher als die perfekten Superheroes der ersten Generation. Die Protagonisten von Marvel streiten, necken und ärgern sich wie die Fantastischen Vier, sie haben kleine Schwächen, sind eitel, neidisch oder unsicher wie der Teenager Peter Parker, der als Spiderman souverän durch die Straßenschluchten zischt. Dass er in einem Ganzkörperkostüm steckt, fördert die Identifikation mit dieser Figur: jeder könnte Spiderman sein.
MUSIK 10 (The Chamber Orchestra Of London: First Mission 0’32)
SPRECHERIN
Marvelhelden sind auch keine Solisten, häufig bilden sie Gemeinschaften, oft treten sie im Ensemble auf. Diese Tendenz zum Sozialen haben die Marvel-Macher nicht erfunden, sie greifen nur auf, sagt Comic-Experte Andreas Platthaus, was während der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts in der Luft liegt.
ZSP Andreas Platthaus - Warum Marvel auf Zielgruppen achtet?
… Wenn wir uns an die Bürgerrechtsbewegung erinnern oder natürlich auch an die Unruhen unter den Studenten in Berkeley, die Hippie-Bewegung und so etwas, dann war das etwas, was einfach ins Gespräch natürlich auch der weißen Mehrheitsbevölkerung (gehörte), die letztlich den Hauptteil der Comic-Leserschaft stellte, auch interessierte.
SPRECHERIN
Marvel beginnt als erster Comic-Konzern Ende der 60er Jahre, schwarze Figuren in die Bildgeschichten einzubauen. Zuerst halten die Drucker die Angaben jedoch für Fehler und färben die Umrisse brauner bzw. schwarzer Passanten weiß ein, aber die Marvel-Macher lassen nicht locker. Im Marvel-Kosmos betreten schwarze Superhelden die Bühne. In Deutschland kommen Comichefte mit schwarzen Superhelden allerdings erst ein halbes Jahrhundert später auf den Markt, nach dem Erfolg der Black-Lives-Matter-Bewegung.
SPRECHER
Luke Cage etwa, ein schwarzer Söldner mit einer riesigen Kette als Gürtel. Um einer Gefängnisstrafe zu entkommen, stellt er sich für ein Experiment zur Verfügung, das ihm Superkräfte verschafft.
MUSIK 11 ( Soundtrack Black Panther: Vince Staples & Yugen Blakrok – Opps 0’37)
SPRECHERIN
Und dann ist da noch Black Panther, die afrofuturistische Reihe von Marvel, über den König des fiktiven afrikanischen Wakanda-Reiches, das vorgibt ein armer Staat zu sein. Tatsächlich hat es hier einen Meteoriteneinschlag gegeben, der die Vorkommen des Wundermetalls Vibranium vermehrt. Durch dieses Metall kann sich Wakanda unsichtbar machen, was vorteilhaft ist, denn die restliche Menschheit ist noch nicht bereit für den Wohlstand und den Reichtum von Wakanda.
SPRECHER
Natürlich erinnert der Name Black Panther an die gleichnamige, radikale Black-Power-Partei, die Ende der der 60er Jahre entsteht. Sie plädiert radikal antikapitalistisch - für schwarzes Unternehmertum, reformierte Bildung und Plebiszite des schwarzen Amerika. 1981 löst sich die Organisation auf.
SPRECHERIN
Verantwortlich für den Erfolg von Marvel ist der Redakteur und Szenarist Stanley Lieber. Seinen Vornamen zerlegt er für seinen Künstlernamen in zwei Silben: Stan Lee.
SPRECHER
In den frühen 60er Jahren revolutioniert er mit von ihm erfundenen Figuren wie Spiderman, den Fantastischen Vier und Hulk das Genre. Die Zeichner, mit denen er kooperiert, Jack Kirby und Steve Ditko, entwickeln einen klaren, dynamischen Stil, der Überschwang von Actionszenen lässt sich in ihren Panels, wie man einzelne Bilder im Comic nennt, unmittelbar nachvollziehen.
SPRECHERIN
Superhelden - ob von DC oder Marvel - erschließen dem Comic neue Zielgruppen im Teenager- und Jugendlichen-Alter, was aber nicht bedeutet, findet Andreas Platthaus, einer der besten Comic-Kenner, dass sie die Kunstform der Graphic Novel voranbringen.
ZSP Andreas Platthaus – Superhelden-C. ästhetisch regressiv
Da wurde relativ schlicht drin gearbeitet, da war kein Platz für grafische Experimente oder fantastische Arrangements und Seitenarchitekturen. … Dementsprechend würde ich sagen, dass alles das, was wir als Comics kennen, durch die Superhelden-Hefte extrem geprägt worden ist, dass das aber nicht besonders ästhetisch fortschrittlich war. // Der Comic war in den 10er und 20er Jahren des 20. Jahrhunderts viel, viel weiter ästhetisch, als es dann nach dem Zweiten Weltkrieg war, als Superhelden so ziemlich alles dominierten. Wir verdanken es dem japanischen und den französischen Comics, dass interessantere Seitenarchitekturen, dass großzügigere Grafik, dass experimentelles Erzählen zurückgekommen ist, und das haben dann irgendwann die Superhelden-Comics auch übernommen. Aber da haben Sie sich einfach an Erfolge angehängt. Ihr eigener Erfolg hat zu einem Rückschritt in der Entwicklung der Comic-Ästhetik geführt.
MUSIK 12 (John Williams – Theme From Superman 0‘46)
MUSIK 13 ( Red Man – Soopaman Luva 3 („It‘s A Bird? / It’s a Plane?) 0’06)
Zitator & Zitatorin: It’s Superman!
SPRECHER
In den 70er und 80er Jahren kommen alte DC-Helden wieder zum Zug. 1978 wird Superman aufwändig verfilmt, mit Christopher Reeve in der Hauptrolle. Eine Verfilmung ist deshalb nicht abwegig, weil die Bildsprachen von Comics und Film ähnlich strukturiert sind. Filmemacher und Regisseure arbeiten oft mit gezeichneten storyboards, mit Bilderfolgen, damit sich Team, Kameraleute und Darstellerinnen das Endergebnis vorstellen können. Ein solches storyboard sieht ähnlich aus wie die Seite eines Comichefts, nur die Sprechblasen fehlen.
MUSIK 14 ( War – Galaxy 0’30 aus: Superman Batman Dance All Night)
SPRECHERIN
Jüngere Comic-Künstler wie Frank Miller zeigen in den 80er Jahren Batman als gealterte, frustrierte Figur - ein Gewalttäter in kompromisslosem Schwarz-Weiß, der sich entfernt hat vom Pfad des tugendhaften Weltverbesserers.
SPRECHER
Diese aktualisierte Sichtweise des Superhelden bildet die Grundlage für Kinofilme, in denen der US-Schauspieler Michael Keaton Ende der 80er Jahre den Fledermausmann gibt.
MUSIK 15 ( Rod Stewart – Superman Batman Spiderman 0’15)
SPRECHERIN
Nach den Anschlägen vom Elften September geraten die USA erneut unter Druck und übernehmen die Rolle der Weltpolizei – zeitgleich steigt die Beliebtheit von Superhelden. Diesmal haben Helden aus dem Hause Marvel die Nase vorn. Was früher nur Zeichner und Comickünstler konnten, lässt sich jetzt durch Spezialeffekte und mit immenser Rechnerleistung als Bewegtbild herstellen und im Kino erleben. Millionen-Dollar-Erfolge wie Spiderman 1, 2 & 3 zeigen das enorme kommerzielle Potential, das der Marvel-Konzern für weitere Produktionen nutzt. Marvel-Filme sind durch Gastauftritte einzelner Schauspieler miteinander verknüpft, was ihre Attraktivität weiter steigert.
SPRECHER
Ab 2008 etabliert der Unterhaltungs-Konzern das sogenannte Marvel Cinematic Universe. Alte Helden wie Iron Man, Thor, Black Panther und sogar Captain America, als First Avenger tituliert, fliegen jetzt wieder über die Leinwand und begeistern erneut das Publikum - Helden, die alles tun, um die Welt und den Planeten zu retten. Über ein Jahrzehnt lang produziert Marvel einen Erfolgsfilm nach dem anderen.
MUSIK 16 ( Mark Graham – The Avengers 0’26)
SPRECHERIN
Marvel-Mastermind Stan Lee wird in einigen Filmen durch sogenannte Cameos, also Gast-Auftritte geehrt. 2018 stirbt der hochgeschätzte Comic-Pionier und Begründer des Marvel-Universums. Der Marvel-Konzern setzt da längst auf Zielgruppenforschung, wenn es darum geht, neue Heldinnen zu kreieren. Miss Marvel etwa ist, was man heute eine migrantisch gelesene Person nennt - eine Figur, die die große Zahl von Einwanderinnen und Einwandern aus Pakistan und Indien in den USA repräsentiert bzw. deren Nachkommen ansprechen soll.
SPRECHER
Kamala Khan ist 19, eine gute Schülerin und eine begeisterte Gamerin. Umgeben von einer Gluckenmutter, einem ehrgeizigen Vater und einem frommen Bruder findet sie Zuflucht im Schreiben von Fan-Fiction über Superhelden. Als sie in der Schule und zuhause in Schwierigkeiten gerät, kann sie sich retten, indem sie - wie ihre Idole - Superkräfte erlangt. Miss Marvel wird erst als gedruckte Comicreihe getestet, bevor die Figur 2022 zur Heldin einer TV-Serie wird.
SPRECHERIN
Superhelden sind fester Teil der westlichen Popkultur. Auch wenn jedem klar ist, dass es unmöglich ist: Wer würde nicht gerne einmal Kräfte haben wie Superman oder der Hulk?
MUSIK 17 ( Hildur Guðnadottir; The Hollywood Studio Symphony - Bad Comedian 1’03)
Aktuell sieht Andreas Platthaus das Superhelden-Genre sich in Richtung seiner Bösewichte bewegen. Die Geschichten insbesondere der Marvel-Superhelden sind für Andreas Platthaus auserzählt.
ZSP A. Platthaus - Schurken & gebrochene Helden angemessen
… Jetzt hat man eigentlich sämtliche prominente Figuren wirklich ausgemolken. Und ich glaube kaum, dass da noch irgendeine neue Facette zu erzielen ist. Darum sind Filme wie über Dead Pool oder eben den eben schon erwähnten Joker zurzeit viel interessanter und viel kassenträchtiger, weil die tatsächlich noch einmal etwas Neues erzählen, eben auch mit viel gebrocheneren Figuren. Und ich glaube, dass das wiederum etwas ist, was unserer Zeit entgegenkommt. Und wenn man danach fragt, inwieweit Superheldenfilme heute noch dem Unterhaltungsbedürfnis oder auch dem Belehrungs-Bedürfnis entsprechen, dann würde ich sagen, der Gespaltenheit unserer Gesellschaft und der Zwiespältigkeit, all dessen, was wir zurzeit weltgeschichtlich erleben, sind die Schurken und die gebrochenen Helden deutlich angemessener.