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Beruf: Hausfrau - Die Geschichte einer Arbeiterin

Die klassische "Hausfrau" ist tot. Oder doch nicht? Wer kocht, putzt und wäscht, wenn alle arbeiten? Und wann entstand das Bild der "Hausfrau"? Von Julia Fritzsche (BR 2019)

Beruf: Hausfrau - Die Geschichte einer Arbeiterin | Bild: picture alliance / Mary Evans Picture Library
23 Min. | 21.3.2025

VON: Julia Fritzsche

Ausstrahlung am 27.12.2023

SHOWNOTES

Credits
Autorin dieser Folge: Julia Fritzsche
Regie: Eva Demmelhuber
Es sprachen: Beate himmelstoß, Rahel Comtesse, Frank Manhold
Technik: Michael Krogmann, Christine Frey
Redaktion: Nicole Ruchlak

Im Interview:
Barbara Duden (Professorin; emeritiert; Historikerin Universität Hannover);
Gabriele Winkler (Professorin; Arbeitswissenschaftlerin der Universität Hamburg)

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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

O-TON „MUTTER“

Wenn meine Mutter gefragt wurde „Was machen Sie?“, dann sagte sie „Ich arbeite gar nicht, ich bin Hausfrau“. 

ERZÄHLERIN:

Barbara Duden spricht von ihrer Mutter. Wie die meisten Frauen der 50er und 60er Jahre war diese Hausfrau. Und wie viele Frauen damals behauptete sie, sie arbeite nicht. Dabei arbeiteten Hausfrauen natürlich. Sie wurden nur nicht dafür entlohnt. Warum machten Frauen diese Arbeit? Das war keineswegs selbstverständlich, stellt die Historikerin Barbara Duden bei ihren Forschungen bald fest – die Hausfrau war vielmehr etwas historisch Neues. 

(Soundbreak)

Barbara Duden ist in den 60er und 70er Jahren eine junge Historikerin. Wie viele ihrer Generation ist sie frauenbewegt und versteht nicht, wie ihre Mutter so leben kann. Ein Leben als Hausfrau empfindet Barbara Duden…

O-TON „ÖDE“

… als vollständig veraltet, isolierend, öde, grauenhafte Existenz, kann man überhaupt nicht aushalten, unlebbar (…). 

ERZÄHLERIN:

Sie begibt sich auf die Suche. Die Arbeit von Frauen ist zu dieser Zeit kaum erforscht. 

Barbara Duden und andere Forscherinnen ihrer Generation machen sich auf: Mitte der 70er treffen sie sich zu sogenannten „Frauen-Sommeruniversitäten“ und widmen ihre Studien fortan der Lebenswirklichkeit von Frauen. Eine der wenigen Studien dieser Jahre, die die Arbeit von Hausfrauen sichtbar machen soll, ist „Das unsichtbare Tagwerk“.

O-TON „TAG BEGINNT“

Schon morgens, wenn das losgeht: dass das Kind, das Schulkind, ohne, dass es sich sperrt und sagt ‚ich will aber nicht dahin‘ rechtzeitig in seine Kleider kommt und rechtzeitig und gefrühstückt und mit einem Pausenbrot ausgestattet und mit seinem Schulranzen gepackt und seinen Schulsachen geordnet in die Schule gebracht wird oder dorthin läuft. 

O-TON WINKER „LEBEN DER HAUSFRAU“

Also man muss, finde ich, immer diesen Familienernährer dazudenken. 

ERZÄHLERIN

So Gabriele Winker, Professorin für Arbeitswissenschaft und Gender Studies an der technischen Universität Hamburg. Die Hausfrau der 50er und 60er Jahre in der jungen Bundesrepublik ist nicht denkbar ohne den Familienernährer.

O-TON WINKER FORTS

Und dieser bestimmt dann über das Haushaltsgeld, wieviel Geld für Lebensmittel, für notwendige Güter wie Kleidung oder elektrische Geräte, gekauft werden können. Und der Hausfrau auf der anderen Seite obliegen wirklich alle Haus- und – und da benutze ich jetzt auch mal den Begriff - „Sorge-Arbeiten“, der mehr auf die menschlichen Beziehungen hinweist. Sie kümmert sich halt nicht nur umfassend um die Erziehung der Kinder und auch das Wort leibliche, seelische und sexuelle Wohl des Ehemanns, sondern pflegt auch umfassend ihre unterstützungsbedürftigen Eltern und zudem wie selbstverständlich auch die Schwiegereltern sowie unverheiratete Tanten oder Nachbarn und so weiter.… 

ERZÄHLERIN:

Kinder, Küche, Kranke – die Hausfrau hält den Laden am Laufen. Aber seit wann? Gemeinsam mit der Historikerin Gisela Bock macht sich Barbara Duden auf die Suche: Gab es die „Hausfrau“ schon immer?

O-TON „GEBURT DER HAUSFRAU + GEBURT 2“

Die große Entdeckung damals in der zweiten Frauenbewegung war, dass Hausarbeit gar nichts Traditionelles war, sondern mit der Industriegesellschaft überhaupt erst aufkam, genauer gesagt eigentlich richtig ausgestaltet im 20. Jahrhundert. Die Aufgabe der Hausfrau, Ehefrau und Mutter gab es vor der Modernisierung nicht. 

ERZÄHLERIN:

Die moderne Hausarbeit, stellen Duden und Bock fest, entsteht erst mit dem Kapitalismus und der Industrialisierung: denn erst hier bilden sich Städte heraus 

und eine Trennung von Arbeitsplatz und Zuhause, Menschen gehen zum Arbeiten. 

Bis dahin waren Haus und Hof meist eins, waren Arbeitsplatz und Zuhause eins: ob im ländlichen bäuerlichen Betrieb oder im kleinstädtischen Gewerbe, die Arbeiten finden meist zuhause statt, ein Haushalt ist eine wirtschaftliche Einheit. Es leben unterschiedlich viele mit in einem Haushalt, aber alle arbeiten mit, Erwachsene wie Kinder, oft auch Mägde, Knechte, Lehrlinge, Gesellen.

Männer sind zwar eher auf dem Feld und im Wald tätig, Frauen eher im Haus, Garten und Stall, doch gerade die ihnen verantworteten Tiere sind oft sehr ertragreich, ihre Arbeiten offensichtlich bedeutsam.

SPRECHERIN 

„keine Frau, keine Kühe, keine Milch, kein Käse, kein Geflügel, keine Eier, hier die einfache Rechnung“

ERZÄHLERIN:

…schreiben Duden und Bock in ihrer Studie „Arbeit aus Liebe – Liebe als Arbeit“ 1977. Frauen machen in der vorindustriellen Zeit viele Arbeiten, die offensichtlich dem häuslichen Betrieb dienen. Sie dreschen, spinnen, weben, nähen, sie stellen Produkte her, verarbeiten sie weiter, verkaufen sie auf lokalen Märkten. Vom Anbau des Flachses bis zum fertigen Bettlaken.

Manche arbeiten auch außer Haus, als Näherinnen, Verkäuferinnen, die Armen als Lumpensammlerinnen, Lastenschlepperinnen, Kloaken-Entleererinnen, doch zuhause sind sie meist für etwas Zentrales verantwortlich: Haushalten, Aufbewahren, Erhalten – ziemlich einfach, weil es oft wenig 

zum Haushalten, Aufbewahren und Erhalten gibt. Die Arbeit der Frauen ist Teil der wirtschaftlichen Einheit des Haushalts. Wenn sie kochen, müssen sie entscheiden: machen sie die Suppe warm und nahrhaf, damit der Knecht gesund und kräftig für die Arbeit auf dem Feld ist, wozu sie aber einfeuern müssen, was teuer ist? 

Oder machen sie eine kalte Grütze, die billiger ist, von der der Knecht aber mit der Zeit schwach und krank werden kann. Kochen ist also ersichtlicher Teil der Ausgaben des Betriebes und gilt nicht wie später die Arbeit der Hausfrau als privater Liebesdienst an Mann und Kindern. Auch die später zentrale Hausfrauen-Tätigkeit Waschen machen zwar Frauen, sie ist aber anders gestaltet: Böden werden nur von übelsten Dreckschichten befreit und Wäsche zwei bis vier Mal im Jahr gewaschen, damit nicht Mäuse oder Fäulnis kommen – Schmutz ist damals aber auch ein anderer als der spätere dreckige und giftige Ruß der Fabrik. 

Wird gewaschen, findet das am Fluss oder Brunnen statt. 

O-TON „GEWÄSCH“

Die Wäsche …war etwas sehr Öffentliches. Denn an der Wäsche kann mal vieles sehen: das Blut der Frau oder den Samen des Mannes. Und wenn die Wäsche dann an der Leine hing und die Nachbarin nochmal darauf schaut und was dazu sagt, ... Sie können sich fragen, woher das Wort „Gewäsch“ kommt, „was hat die Nachbarin für ein blödes Gewäsch von sich gegeben“. Das hängt direkt mit der Wäsche zusammen.

ERZÄHLERIN:

Noch etwas unterscheidet die im Haus arbeitende Frau der vorindustriellen Zeit von der späteren Hausfrau: es gibt keine Familien, sondern Haushalte, so Duden und Bock, alle möglichen Menschen leben und arbeiten hier, nicht nur Verwandte. 

Weder existiert damals die Vorstellung romantischer Liebe – geheiratet wird nach Güterverteilung, und oft mehrfach, weil einer stirbt –, noch existiert die Idee von Kindheit, wie der Sozialhistoriker Philippe Ariès herausstellt. 

Kinder wurden am Feldrand abgelegt oder zu Ammen gegeben, wenn sie größer sind, arbeiten sie mit oder werden in einer Schule verwahrt, von Geschwistern oder einer größeren Kinderschar mitgeschleppt. Wo keine Kindheit ist, da auch keine Mutterrolle, zusammengefasst: 

O-TON „KEINE TRENNUNG“

Es gab nicht: privat und öffentlich. Es gab nicht die scharfe Trennung zwischen entlohnter und nicht entlohnter Arbeit, zwischen Erwerbsarbeit und häuslicher Arbeit. 

ERZÄHLERIN:

Wie kommt es dann zu Hausfrau und Kleinfamilie, in der einer arbeiten geht und eine zuhause bleibt? 

(Soundbreak)

Im 18. und 19. Jahrhundert findet zunächst in England, später auf dem europäischen Festland und in Nordamerika die Industrialisierung statt: Essen, Kleider und andere Bedarfsmittel werden nicht mehr in erster Linie für und im eigenen Haushalt hergestellt oder von nahegelegenen Haushalten bezogen, sondern zunehmend an spezifische Produktionsstätten verlegt: dort sollen mechanische Webstühle, Spinnmaschinen und andere neue Maschinen die Herstellung beschleunigen. 

Die Arbeitsschritte werden aufgesplittet, dürfen aber nicht zu weit voneinander entfernt sein, weswegen Zentren und Städte entstehen. 

Aus der Einheit von Haus und Hof, in dem alle arbeiten, wird eine Fabrik als Arbeitsplatz und eine Wohnung als Schlafstätte. Anfangs gehen beide Geschlechter aus der städtischen Schlafstätte in die Fabrik, oft für bis zu 16 Stunden, ohne Ruhepausen, bis zur Erschöpfung und zu niedrigen Löhnen. Ihre Kinder stellen sie auch mit Opiaten ruhig, viele davon sterben früh, denn es kümmert sich niemand. Bald überziehen Epidemien die Arbeiterschaft, …

SPRECHERIN: 

…die fast nicht mehr im Stande sei, sich zu reproduzieren, in der die Lebenserwartung bei zwanzig Jahren liege und in der die Menschen im frühen Alter an Überarbeitung sterben.

ERZÄHLERIN:

…schreibt die italienisch-amerikanische Frauenforscherin Silvia Federici. Die Fabrikbesitzer merken: uns fehlen die Arbeitskräfte, es kommt niemand nach. Irgendjemand muss also nach Hause und sich darum kümmern, dass die Arbeitskräfte stark und am Leben bleiben und neue nachkommen. 

Mit vielfältigen Fabrikgesetzen, so Federici, verringern die Fabrikbesitzer die Arbeit der Frauen oder machen sie unattraktiv, indem sie sie schlecht bezahlen. Gleichzeitig erkämpfen sich die männlichen Arbeiter zu dieser Zeit, von denen sich immer mehr als Klasse verstehen, sozialstaatliche Leistungen, kürzere Arbeitszeiten und Löhne, die für eine Familie zumindest irgendwie reichen. Der Alleinernährer wird geboren – und mit ihm: die Hausfrau. Hinter jeder Fabrik und jedem Büro steht also die Arbeit von Frauen, die den Männern den Rücken freihalten, sie warten, Arbeiterkinder großziehen und dabei die Tatsache unter den Teppich kehren, dass sie sich so in die Abhängigkeit eines einzelnen Lohnverdieners begeben. Das gilt allerdings nicht für alle Schichten, manche Hilfsarbeiter verdienen weiterhin so wenig, dass auch die Frau arbeiten muss, in der Mehrheit bleibt sie aber nun zuhause. 

Für den Unternehmer heißt das: für einen Lohn erhält er nun zwei Arbeitskräfte. Gestützt wird dieses ökonomische Modell vom Ideal der Kleinfamilie und einer privaten Abgeschiedenheit der Familie von der Gemeinschaft. Dieses Ideal hatte sich im 18. und 19. Jahrhundert im Bürgertum herausgebildet, der neuen besitzenden und formal gebildeteren Klasse, die sich einerseits von Adel und Klerus, andererseits von Bauern- und Arbeiterfamilien abgrenzen wollte. 

O-TON „ELTERNSCHLAFZIMMER“

Wenn sie einen bürgerlichen oder großbürgerlichen Haushalt im 19. Jahrhundert von der Architektur betrachten, dann sehen Sie, wie die Räume neu geordnet werden, … also das Elternschlafzimmer ganz oben und hinten…

ERZÄHLERIN

…und weiter vorne der Salon und das Wohnzimmer, wohin sich Besuch aufhält. Anders als der Adel kann sich das Bürgertum zwar nicht unbedingt Hausangestellte leisten, es soll aber trotzdem der Eindruck einer abgeschiedenen Privilegiertheit entstehen. In vielen Fällen wird also sowohl aus der bürgerlichen Hausherrin eine Hausfrau, als auch aus dem ehemals angestellten Hausmädchen – sofern 

sie verheiratet ist und ihr Mann einen Alleinernährerlohn heimträgt. Das Bild von Privatheit und Familie hat sich vom Bürgertum auf das Arbeitermilieu übertragen, wo Frauen nun ebenfalls zuhause bleiben sollen.

ZITATOR

„Alle Verdienstmöglichkeit gibt den Frauen einen vulgären Charakter, in ihrer Erscheinung und in ihren Verhaltensweisen, während Abhängigkeit im Unterhalt von dem Mann die Quelle allen bescheidenen und freundlichen Umganges ist“.

ERZÄHLERIN

So heißt es in einem medizinischen Untersuchungsbericht gegen Ende des 

19. Jahrhunderts in England. Waren Frauen einst also sichtbare Arbeitskräfte im häuslichen Betrieb, sind sie nun abhängige, unsichtbare und unbezahlte Arbeiterinnen, deren Tätigkeiten als Liebesdienste gelten. 

Ihre stilisierte Rolle als liebliche Gattin, Hausfrau und Mutter und die ihr zugrundeliegende Arbeitsteilung fördern staatliche Gesetze. So werden Familien steuerlich bessergestellt, insbesondere solche, wo eine Person wenig oder gar nicht verdient. Der Zuschuss kommt allerdings nicht der Haus-Arbeiterin zu Gute, sondern dem Mann. 

Vor allem Unternehmen fördern die neue Arbeitsteilung, so das Forschungsergebnis von Duden und Bock: die höheren Familienlöhne werden aus Branchen- oder Regional-Fonds bezahlt, zu denen sich die Unternehmen zusammentun, denn sonst würde ein einzelnes Unternehmen immer nur unverheiratete, familienlose Männer anstellen und es würde auf lange Sicht keinen Nachwuchs geben. 

Außerdem regen Unternehmer an, dass das Zuhause effizienter wird. In dieser Zeit neu entwickelte Haushaltsmaschinen halten Einzug erst in bürgerliche, dann in Arbeiter-Haushalte. 

ZITATOR

Das Heim ist Teil einer großen Fabrik für die Produktion von Bürgern.

ERZÄHLERIN

…heißt es 1912 in einem Buch über „Homeefficiency“. Der Taylor‘sche Gedanke der Rationalisierung der Fabrik greift auch zuhause: dort soll wie im Betrieb Verschwendung und Ineffizienz vermieden werden. Zeitschriften, wissenschaftliche Institute und Hauswirtschaftsschulen unterstützen die Idee der „Wissenschaftlichen Betriebsführung im Haushalt“. 

ZITATOR

Ein Arbeiter, der morgens schlecht gefrühstückt den Betrieb betritt, arbeitet bedeutend weniger effizient als einer, dem … seine Frau vor der Arbeit ein kräftiges Frühstück zubereitet hat.“

ERZÄHLERIN

.. sagt 1913 der US-Handelsminister, ein begeisterter Anhänger der Rationalisierung. Und der US-amerikanische Unternehmer Henry Ford richtet in seiner Autofabrik Detroit ein „Sociological Department“ ein, das in den Arbeiterfamilien gucken soll, 

ob Engagement und Eifer vorhanden sind – nur dann erhalten die Arbeiter den 1914 eingeführten höheren 5-Dollar-Lohn. Das Fließband verlängert sich also nach Hause: volle Rationalisierung vom Band bis ins Bett. Die Frau kriegt nun für die Zubereitung von „Effizienzfrühstück“ und die Betreuung auch zukünftiger Arbeitskräfte allerlei Maschinen an die Hand: ab den 1920ern kommen Waschmaschinen, später Staubsauger, Brotschneidemaschinen und vieles mehr. Ein neuer Absatzmarkt erschließt sich: der private Haushalt. Die Maschinen machen die Arbeit durchaus etwas leichter, aber nicht alles lässt sich rationalisieren: Zuwendung, zu Trinken geben, Füttern bleibt – und die Freiheit der Hausfrau beschränkt sich 

im Wesentlichen darauf, zu entscheiden, ob sie die Wäsche dienstags oder freitags macht. Die Hausfrau sorgt also nicht nur für die Familie, sondern auch für Profit. Während die Unternehmer für öffentliche Küchen und Waschanlagen Löhne zahlen müssten, ist ihre Arbeit umsonst: die Arbeit der Hausfrau. 

(Sound)

Die Hausfrau wächst mit dem Kapitalismus mit: erst in reicheren Familien, dann 

in Facharbeiterfamilien. Eine Ausnahme sind die beiden Weltkriege - während die Männer an der Front kämpfen müssen, ersetzen die Frauen sie in die Fabriken. 

Ihre Hochzeit hat die Hausfrau deshalb erst in der Nachkriegszeit: die Wirtschaft wächst und die Arbeiter erstreiten sich zunehmend hohe Löhne, die Unternehmer zahlen, sei stehen auch in Systemkonkurrenz zum sozialistischen Osten. 

Der Alleinernährer und die Hausfrau haben Konjunktur. 

SPRECHERIN

„Ich sage mir immer, ich sei glücklich, sonst drehe ich durch“

ERZÄHLERIN

…zitieren Bock und Duden eine Hausfrau der 50er Jahre. Die Frauen dürfen derzeit nicht ohne Zustimmung des Ehemannes erwerbstätig sein, gleichzeitig werden sie als Heilige stilisiert - ein Widerspruch, der viele verstört oder gar krank macht, so Gisela Bock und Barbara Duden. Um die Rolle der Frauen zu beschönigen, heißt es auch noch, im Grunde hätten sie „die Hosen an“, hätten Frauen also die Macht und damit ein Bedrohungspotential, eine Gegenwehr nimmt das eher vorweg. Etwas anders ist die Situation für Frauen in der DDR: hier sind die meisten erwerbstätig, es gibt viel mehr öffentliche Infrastruktur wie Kitas, um den Haushalt kümmern sich aber trotzdem vorwiegend Frauen – in Doppelbelastung zu ihrem Job.

(Soundbreak)

Wie geht es weiter mit der Hausfrau in der Bundesrepublik? Mitte der 70er bricht die Wirtschaft in den westlichen Industrienationen ein, geöffnete Märkte verschärfen 

die Konkurrenz, so dass Unternehmer die teuren Alleinernährerlöhne nicht mehr zahlen. Gleichzeitig drängen die Frauen in die Erwerbsarbeit. War in den 50er nur jede vierte verheiratete Frau erwerbstätig, so ist es in den 80ern jede zweite. Die Hausfrau verschwindet von der Bildfläche. 

OT Winker Spezialfall 32:30

Wenn man sich heute überlegt, dass ein Familienernährer eine Frau ein Leben 

lang, also bis zur Rente, ohne Armut im Alter, und sagen wir mal 1,5 Kinder im Schnitt ernähren soll: das geht nur noch bei Managergruppen oder Chefärzten, das schafft noch nicht mal mehr die Hochschullehrerin.

ERZÄHLERIN

Die Arbeit der Hausfrau muss aber weiterhin getan werden. Sie ist ja nicht weg. Einen Teil dieser Arbeit übernehmen heute weiterhin meistens Frauen, oft aus dem Ausland und meistens unter prekären Bedingungen. 

Hausangestellte, also rumänische Kindermädchen, polnische Putzfrauen und ukrainische 24-Stunden-Pflegerinnen sind zu 80 bis 90 Prozent irregulär beschäftigt, also nicht sozialversichert, haben keinen bezahlten Urlaub, kriegen kein Krankengeld. 

OT Winker Auslagern nicht normal

1000 bis 1500 Euro kriegt dann so eine Pflegekraft, das ist jetzt auch jenseits jedes Mindestlohns, also sie sind total schlecht entlohnt, weil die rund um die Uhr eingesetzt werden. Aber für, ich sag ich mal, die Durchschnittsfamilie ist das immer noch zu viel. 

ERZÄHLERIN

In der Regel bleibt die Hausarbeit und Familienarbeit also in der Familie – in der aber beide jetzt erwerbsarbeiten. 

Die ehemalige Hausfrauen-Arbeit besteht heute zusätzlich. In Deutschland leisten Männer im Durchschnitt 18 Stunden die Woche Haus- und Familienarbeit, Frauen 40. 

Bei Erwerbsarbeit ist es ungefähr umgekehrt: Männer arbeiten mehr als Frauen – 

mit dem entscheidenden Unterschied, dass die Erwerbsarbeit bezahlt wird. Frauen haben also am Ende weniger Geld. Wenn Kinder kommen, kochen, putzen und waschen die Frauen neben dem Teilzeitjob - 69 Prozent der Frauen reduzieren dann im Job, sechs Prozent der Männer. Auch wenn diese Rollenverteilung im Wandel begriffen ist, gilt: 

OT Winker Standard heute 

Teilzeit ist heut der Standard für die Vereinbarung von Beruf und Familie, aber Teilzeit von Müttern und nicht von Vätern - und Teilzeit trotz Nachteile bei Scheidung für die Altersabsicherung, für die spätere Berufstätigkeit, vielleicht Aufstieg, Karriere. Das ist der Standard, der diese klassische Hausfrau ersetzt hat.

ERZÄHLERIN

Frauen mit Teilzeitjob in Abhängigkeit und mit Armutsrisiko, Frauen mit Vollzeitjob 

in Doppelt- und Dreifachbelastung, Frauen ohne Arbeitsvertrag und Krankengeld, 

die ihrerseits Fürsorgebedürftige in ihren Heimatorten zurücklassen: die Arbeit der einstigen Hausfrau wird weiter vor allem von Frauen und unter großer Belastung (bitte auch das „und“ sprechen, da es nicht nur um die Frauen geht, sondern auch darum, dass es eine große Belastung ist, genauso für die wenigen Männer, die

in dieser Rolle sind; danke! NR) gemacht werden, solange Kitas und Altenheime nicht gut ausgestattet sind und Stundenlöhne nicht so hoch, dass wir uns mehr Zeit für Familie und Haushalt nehmen können. Die historische und globale Ausnahme der Hausfrau hat nur für kurze Zeit verdeckt: dass sich Kochen, Kümmern und Kinderkriegen langfristig nicht der Logik von Effizienz, Rationalisierung und Profit unterwerfen lassen.

radioWissen | Bild: Getty Images / BR
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